Fokusveranstaltung zum Thema Geflüchtete mit der Adalbert-Raps-Stiftung
„Engagiert in Oberfranken“ geht in die nächste Runde
Am Samstag, den 12. November 2016 fand in der Adalbert-Raps-Bibliothek am Mönchshof in Kulmbach, Oberfranken, im Zuge der Veranstaltungsreihe „Engagiert in Oberfranken“, die erste Fokusveranstaltung zu dem weiterhin sehr aktuellen Thema „Integration von geflüchteten Menschen“ statt. Rund 70 Vertreter aus Politik und gemeinnützigen Initiativen sowie Ehrenamtliche, Studierende und Interessierte folgten der Einladung der Adalbert-Raps-Stiftung. Das Ziel der Fokusveranstaltung war es, sich über die Herausforderungen, erfolgreiche Projekte oder Ideen zu diesem Thema auszutauschen.
Zu Beginn der Veranstaltung wurde die Bedeutsamkeit des Themas Integration durch den Oberbürgermeister Henry Schramm, der den Tag mit einem Grußwort eröffnete, betont. Dabei war in seiner sehr zielgerichteten Rede direkt das Miteinander auf unserem Planeten ein Thema:
„Wir befinden uns in einer Zeit der Veränderungen und Umbrüche. Bei der Integration sind alle gefragt und jeder kann seinen Beitrag leisten“ so Schramm.
„Meine neue Heimat“ – Ein erfolgreiches Projekt erzählt seine Geschichte
Am Vormittag standen vor allem die Umsetzung und positive Beispiele von Projekten zur Integration von geflüchteten Menschen im Vordergrund. Als Erfolgsprojekt wurde „Meine neue Heimat“ von Claudio Cumani, Integrationsbeirat Bayern, vorgestellt. Dieses Integrationsprojekt ist initiiert worden von dem Integrationsbeirat der Stadt Garching, dem Deutschen Alpenverein Sektion Stadt Garching und dem Bund Naturschutz Bayern e.V. Ortsgruppe Garching. Und hat das Ziel die (neue) Heimat der geflüchteten Menschen durch das aktive Erleben von der Natur, den Orten und ihren Geschichten kennen zu lernen und mit ihren Mitbürgern und Mitbürgerinnen zu reden. Dabei werden neue Begriffe und Traditionen kennengelernt, und durch gemeinsame Erfahrungen, werden Werte der Toleranz und Offenheit vermittelt. Das Projekt wurde dieses Jahr mit dem Bayrischen Integrationspreis ausgezeichnet. Ein einfaches, aber erfolgreiches Projekt, dass die Menschen zusammen bringt.
Was macht ein Projekt erfolgreich?
Von der Idee zur Umsetzung eines Projektes bedarf es einige wichtige Punkte, die es zu beachten gilt. Darüber unterhielten sich Julia Grassinger sowie Claudio Cumani und gaben den Gästen einige wichtige Tipps mit auf den Weg. Julia Grassinger bezeichnet sich selber als „Geburtshelfer“ für gute Ideen und unterstützt Menschen auf ihrem Weg, um ihr Projekt groß werden zu lassen. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
- Wie gelange ich von der Idee zur Umsetzung?
- Was ist mir wichtig?
- Was braucht mein Projekt, um nachhaltig zu sein?
Bei der Umsetzung ist dann entscheidend, dass man ein gutes Netzwerk hat, denn das belebt, gibt Impulse und lässt die Idee wachsen. Die Arbeit von Ehrenamtlichen ist aber auch sehr essentiell und notwendig. Spaß ist immer wichtig und sollte man grundsätzlich an der Arbeit haben („Spaß macht immer das, wo ich kompetent bin“). Dabei ist es gut, sich immer wieder zu reflektieren und neu zu erleben.
Claudio Cumani hat mit seinem Projekt „Meine neue Heimat“ einfach und erfolgreich eine Idee umgesetzt und die oben genannten Punkte beachtet. Er bringt Menschen zusammen und vermittelt Werte und Traditionen. Die Zielgruppe macht das Projekt erfolgreich und so arbeitet Cumani nicht für Flüchtlinge, sondern mit Ihnen zusammen. Jeder Mensch muss sich als Akteur und sich dabei wohl fühlen. Dann ist ein Projekt erfolgreich.
Prof. Rothfuß leitet die Fokusveranstaltung ein: Die Studie „Sozialraum Oberfranken“ verdeutlicht die Lage der Geflüchteten
Grundlage des Wettbewerbes „Helden der Heimat“ und der Veranstaltungsreihe „Engagiert in Oberfranken“ ist die Studie der Universität Bayreuth von Prof. Rothfuss, wo der Sozialraum Oberfranken (Regierungsbezirk) untersucht wurde. Unter Sozialraum versteht man immer einen gesellschaftlichen Raum und der darin enthaltene menschliche Handlungsrahmen. Die essentiellen Forschungsfragen der Studie befassen sich mit den Trends und aktuellen Situationen der Region. Dabei wurde durch Interviews sehr schnell deutlich, dass eine Herausforderung die Aufnahme von geflüchteten Menschen, die Abwanderung von jungen Menschen und die Vereinsamung von Senioren ist.
Der Fokus lag bei der Integration von geflüchteten Menschen und die damit verbundenen Herausforderungen. Die ländlichen Gegebenheiten erschweren zum Beispiel eine Integration durch Arbeit, da dort weniger Unternehmen beheimatet sind. Die Freizeitgestaltung auf dem Land und die Mobilität sind ebenfalls Herausforderungen. Dennoch gibt es in Oberfranken eine große Hilfsbereitschaft und ehrenamtliches Engagement. Es besteht außerhalb von Arrangements der Vereine und Helfer kaum Kontakt zwischen Bürgern und Geflüchteten. Das Zusammenleben sollte demnach gefördert werden. Einen großen Teil muss die Politik dazu beitragen, da diese zum Beispiel durch die Wohnortbindung die Flüchtlinge in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt. Die großen Unterkünfte sind ebenfalls besonders problematisch, weil es wenig Privatsphäre und Beschäftigungslosigkeit gibt. Dieses hohe Maß an Fremdbestimmung führt zu Langeweile, Apathie und Konflikten. Eine Integration ist also durch Praxis zu fördern (gemeinsames Kochen, Sport, etc.).
In den Wettbewerb sollen die Helden der Heimat mit Ihren Projekten für die Heimatlosen gefördert werden. Dafür ist es wichtig zu verstehen, was Heimat überhaupt bedeutet. Mit einem Heim verbinden wir das Erlebte und Gefühlte: „Wo ich herkam und wohin ich zurückkehren möchte, da ist mein Heim“ (Schütz 1972). Fremde bedeutet also das Vermissen von Heimat. Genau deswegen benötigt man lebendige Erfahrung zum Erinnern.
Interesse an der Studie? Einfach hier anfordern.
Interviewrunde: Integration auf dem Arbeitsmarkt
Des Weiteren wurde bei de Veranstaltung darüber gesprochen, dass geflüchtete Menschen sehr gut durch Arbeit integriert werden können. Deshalb haben die drei Interviewteilnehmer/innen Christiane Alter (IdA-Navigatorin), Birgit Obermaier (Agentur für Arbeit Bamberg) und Udo Noack (Robert Bosch GmbH) die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Anstellung genannt, welche vor allem die Sprache und ein Miteinander auf Augenhöhe darstellen. Außerdem ist die Bereitschaft von Unternehmensseite und Ehrlichkeit innerhalb des Teams sehr wichtig. Bei der Anstellung von geflüchteten Menschen, so wurde es betont, gibt es einen hohen Mehrwert für das Unternehmen. Denn zum einen tut kulturelle Vielfalt jedem Betrieb und Unternehmen gut und zum anderen können Chancen durch anderes und neues Potential entdeckt werden. Dabei gilt: Interkulturalität erweitert den Horizont. Nur durch Offenheit und Erfahrungsaustausch kann eine Integration erfolgen und für alle Angestellten ein Mehrwert entstehen.
Paradigmenwechsel: „Eigentlich bin ich ja tolerant…“
In unserem Kulturkreis wünschen wir uns, dass jeder geflüchtete Mensch an das Regelsystem angliedert ist. Die Frage ist, was bei Menschen passiert, die sich nicht kennen, unterschiedlicher Herkunft sind und verschiedene Erfahrungen gemacht haben. Bei vielen geflüchteten Menschen kommt das Trauma erst ein Jahr oder später nach der Ankunft. Wir müssen uns von den Vorurteilsstrukturen verabschieden und versuchen uns in andere Personen hineinzuversetzen. Dann kann auch die Zunahme von Akzeptanz und die Selbstverantwortung steigern. Der Islamexperte Prof. Harry Harun Behr führte in seinem Vortrag genau diese Punkte an und machte einmal mehr als deutlich, dass wir nicht verallgemeinern sollten und von Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturkreisen lernen müssen.
Migration ist und war schon immer ein Normalfall, ohne die wir zugrunde gehen würden. Wir leben von Begegnungslernen und Kultur ist keine sichtbare Philosophie. Das Verständnis von Toleranz ist also Wertschätzen.
Workshops: So werden Ideen zur Integration von Flüchtlingen richtig umgesetzt – und erfolgreich
Am Nachmittag gab es drei parallel laufende Workshops für die sich die Teilnehmer entscheiden konnten.
Workshop 1: „Beruflich anerkannt?“ – So klappt es mit der Arbeitsmarktintegration
Um geflüchtete Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren, müssen sich die Arbeitsmarktakteure vernetzen und gemeinsam an einem Strang ziehen. MigraNet – das IQ Landesnetzwerk Bayern ist Teil des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ und arbeitet eng mit den relevanten Akteuren in Bayern zusammen, damit berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gelingt. Einer dieser Akteure ist AGABY (Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns) aus denen das Projekt „Beruflich anerkannt“ hervorgeht. Dafür gibt es speziell ausgebildete Talentscouts, die Flüchtlinge und Migranten bei der bei der Integration in den Arbeitsmarkt beraten und unterstützen.
In dem Workshop von Yuliya Jabbari und Souzan Nicholson ging es vor allem um das Bundesanerkennungsgesetz (Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen) und um die Bedeutung des Bayerisches Anerkennungsgesetzes (Bayerisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz). Grundsätzlich gibt es drei Formen der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen. Bei der schulischen Anerkennung ist das Ziel, in Deutschland eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen. Bei der akademischen Anerkennung möchte man weiter studieren oder promovieren. Die Ziele der Talentscouts sind die Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt, die Identifizierung von Problemen im Anerkennungsverfahren, Vernetzung und Sensibilisierung der Akteure vor Ort, Zusammenarbeit und Unterstützung der Integrationsbeiräte und weiterer Organisationen.
Workshop 2: (Online-) Fundraising für Flüchtlingsinitiativen
Die Frage des Workshops von Francesca Rösner war, warum Online-Fundraising so wichtig ist und wie Finanzierungsmöglichkeiten aussehen. Denn neben privaten Spenden gibt es zahlreiche Online-Tools zur Spendengenerierung..
Online-Fundraising ist die Kommunikation über das Internet (Website, E-Mail, Social Media etc.) mit dem Ziel, Förderer und Interessenten für eine Unterstützung zu gewinnen. Dafür ist es wichtig, den Zielspender zu definieren und diesen dann auch zu binden. Im Spender-Loyalitätszyklus gibt es 7 Schritte:
- Man muss das Bewusstsein für das Problem schaffen (z.B. Durch Berichterstattung und Online-Marketing)
- Man sollte den Interessenten binden (z.B. durch Newsletter, Facebook, Twitter, Youtube, Google+, etc.)
- Potentielle Fragen der Spender beantworten (Wofür?, Warum unser Projekt? Warum jetzt?, Spendenformular, etc.)
- Danke sagen: gute Entscheidung. Der Spender darf sich besonders und mit einbezogen fühlen
- Berichten womit durch die Spende ein Unterschied gemacht wurde
- Spender zum Multiplikator machen
- Den Spender zu Dauerbeziehung motivieren
Workshop 3: Was braucht es, damit mein (Flüchtlings-)Projekt erfolgreich ist?
Um ein Projekt erfolgreich aufzustellen, gibt es verschiedene Faktoren, die Julia Grassinger in ihrem Workshop mit den TeilnehmerInnen erarbeitet hat. Als zentrale Konzepte, die auch der Selbstorganisation und Strukturierung dienen, hat Julia Grassinger die Ansätze ‚Effectuation‘ und ‚Design Thinking‘ praxisnah vorgestellt.
Der Ansatz ‚Effectuation‘ geht auf die Unternehmertum-Forscherin Saras Sarasvathy zurück, die untersucht hat, wie erfolgreiche Unternehmer mit Unsicherheit bei ihren Entscheidungen umgehen. Folgende Muster konnte sie beobachten, und empfiehlt auch allen Initiatoren von neuen Projekten, sich folgende Fragen zu stellen:
1. Verfügbare Mittel: Wer bin ich, was kann ich, welche Kontakte habe ich?
2. Was kann ich tun? Welche Handlungsalternativen habe ich, um eine spezielle Herausforderung zu lösen?
3. Welche Vernetzungen kann ich nutzen? Mit wem möchte ich kooperieren?
4. Verbindliche Vereinbaren eingehen: Mit meinen Kooperationspartner und mit mir selbst: Was konkret unternehme ich bis wann? Welche Schritte folgen?
Im zweiten Teil des Workshops haben sich die Teilnehmer mit dem Design-Thinking-Ansatz beschäftigt und anhand praktischer Beispiele Ideen und Projekte konkretisiert. Design Thinking ist als iterativer Ansatz so konzipiert, dass es immer neue Test- und Ausprobier-Phasen gibt, die das Produkt oder die Dienstleistung verbessern: Die Schritte Produkterschaffung (engl. Build) – Beurteilung /Auswertung (engl. Measure) – Schlussfolgerungen (engl. Learn) führen zu Produktoptimierungen und dazu, dass Verbesserungen Teil des Produktzyklus sind.
Vortrag: Integration durch Sprachförderung
Der Zustrom von Flüchtlingen hat die Nachfrage an Lernmaterialien für Deutschkurse stark erhöht. Die rasante Zunahme an „Willkommenskursen“ in Kombination mit z.T. schwierigen Rahmenbedingungen verstärkte den Bedarf nach passenden Materialien für diese neuen Herausforderungen. Der Ernst Klett Verlag hat aufgrund dessen eine Umfrage durchgeführt, um das Angebot so passend und fokussiert wie möglich zu entwickeln. Dabei kam heraus, dass die Lernmaterialien überholt und spezialisiert werden mussten. Christine Palme, Marketingleiterin beim Ernst Klett Verlag, sprach in ihrem Vortrag über die neu entwickelten Kursmaterialien. Diese wurden mit alltagsbezogenem Wortschatz, einfachen Redemitteln, mit Übungen zum Nachsprechen für elementare Situationen und mit erstem Schreibtraining für Zweitschriftlernende entwickelt. Zudem muss das Material leicht zu unterrichten (auch für Ehrenamtliche) sein. Die klare Ausrichtung auf diese Zielgruppe spiegelt sich in den Lernbüchern von Klett wieder (z.B. „Deutsch in Alltag und Beruf“, „Bitte einsteigen“ oder „Ein guter Start“). Zudem gibt es Erklärungen zu Fragebögen und zum Religionsverhalten in Deutschland.
Ausblick und Termine
Wie der Ablauf und die Inhalte zeigen, waren am 12. November 2016 vielseitige Referenten mit unterschiedlichstem Know-how vor Ort. Der Mix aus Vorträgen, Dialogrunden, Workshops und Projektvorstellungen hat den teilnehmenden Gästen ein fundiertes Wissen vermittelt. Durch die Begleitung der Politik wurde die Wichtigkeit des Themenschwerpunktes herausgestellt und die Arbeit der Ehrenamtlichen gewertschätzt.
Der Wettbewerb „Helden der Heimat“
Die Auftaktveranstaltung des Wettbewerbes „Helden der Heimat“ ist zugleich die Weiterführung der Veranstaltungsreihe „Engagiert in Oberfranken“. Wir freuen uns auf die anstehenden Fokusveranstaltungen:
- 2. Fokusveranstaltung „Stärkung des sozialen Umfelds junger Menschen“: 11. Feburar 2017
- 3. Fokusveranstaltung „Verbesserung der Situation für ältere Menschen“: 18. März 2017
- bis 31. März 2017 sind Projekteinreichungen möglich
- Preisverleihung des Wettbewerb: 20. Mai 2017
Ziel ist es, den Sozialraum Oberfranken zu stärken und Projekte und Organisationen weiter zu fördern. Wir freuen uns über zahlreiche Teilnehmer an unseren Veranstaltungen und Projekteinreichungen. Weitere Informationen gibt es hier.
2 Antworten
[…] in Oberfranken vertreten um den Sozialraum dieser Region zu stärken. Nach einer tollen Reihe von Fokusveranstaltungen und dem Wettbewerb “Helden der Heimat” in diesem Jahr meldete sich “Engagiert in […]
[…] in Oberfranken vertreten um den Sozialraum dieser Region zu stärken. Nach einer tollen Reihe von Fokusveranstaltungen und dem Wettbewerb “Helden der Heimat” in diesem Jahr meldete sich “Engagiert in […]