Nachbericht: Social Entrepreneurship Stammtisch 2/18
Über Perspektivenwechsel und den Durchblick
Der zweite Social Entrepreneurship Stammtisch des Jahres war gleichzeitig eine Neuerung: Zwar am selben Ort im Bremer Karton, aber diesmal an einem Montag, trafen sich die Interessierten zum Thema Social Entrepreneurship. Gastgeber Fabian von der Hilfswerft begrüßte die Anwesenden, die in einer Kennenlernrunde ihre aktuelle Nachttisch-Lektüre verrieten – und man sich dabei durchaus um die Existenz von Nachttischen sorgen machen muss.
Keine Obdachlosen-Zeitschrift wie jede andere
Der erste Input kam von Prof. Michael Vogel, der „Die Zeitschrift der Strasse“ vorstellte. Wie in anderen Städten auch, gibt es in Bremen ein Magazin, das von obdachlosen Menschen oder von Menschen mit wenig Geld verkauft wird. Dabei handelt es sich um ein gutes Beispiel für Social Entrepreneurship, denn durch den Verkauf verlieren die Wohnungslosen zumindest ein Stück weit die Abhängigkeit von Almosen und erfahren zudem Anerkennung und Wertschätzung.
Das Bremer Modell bietet im Vergleich zu anderen Projekten sogar noch einen Zusatznutzen: Als Professor an der Hochschule Bremerhaven konnte Michael Vogel bereits zahlreiche Studierende zur Mitwirkung begeistern. Dabei liegt eine echte Win-Win-Situation vor, denn für die Studierenden handelt es sich um ein Lernprojekt, das als Studienleistung anerkannt wird. Zudem behandelt jede Ausgabe einen besonderen Straßenzug, sodass die Themen zeitloser sind als üblich. Natürlich konnte der Referent es nicht lassen, einige Ausgaben zum Verkauf anzubieten. Die Erlöse gingen alle an das Zeitungsprojekt.
Wie ein dünner Draht zum Durchblick verhilft
Jörn Hendrichs vertrat die Bremer Regionalgruppe vom Social Business EinDollarBrille. Die Idee dahinter kam dem Gründers Martin Aufmuth aus Erlangen während eines Drogerieeinkaufs. Dort gab es die üblichen günstigen Billiggestelle für kleines Geld. Er dachte sich: Wie günstig könnte man eine Brille produzieren, um damit auch jene Menschen auf der Welt zu versorgen, die sich eine Brille bisher nicht leisten konnten? Die Antwort: Ein Dollar an Materialkosten. Zusammengesetzt werden Sie dann an einer zentralen Stelle im jeweiligen Zielland. Helfer werden zu „Optiker light“ ausgebildet und können dann vor Ort ein eigenes Geschäft aufbauen. 2012 gegründet, gibt es das Konzept unter verschiedenen Namen in sieben Ländern. Bis 2020 sollen eine halbe Million Gläser verkauft werden. Durch die Augenuntersuchungen und die Versorgung mit Brillen haben bereits viele Menschen eine bessere Sicht auf ihre Zukunft. Natürlich konnte ein Modell auch auf dem Stammtisch bestaunt werden.
Ein Studiengang für Macher
Zu guter Letzt durfte Michael Vogel nochmal auf die Bühne. In seinem ersten Vortrag hatten wir bereits erfahren, dass er seine Studierenden gerne aktiv in Projekte einbindet. Im neu konzipierten Bachelor-Studiengang „Gründung, Innovation, Führung“ (GIF) an der Hochschule Bremerhaven gründen die Studierenden eine Genossenschaft, in der sie unternehmerische Projekte umsetzen. So lernen sie direkt aus der Praxis, was es heißt, ein Entrepreneur zu sein. Als er das Konzept vorstellte, wurde klar: die Idee hat etwas Revolutionäres – keine Vorlesungen oder Seminare, sondern „Action Learning“ und „Team Learning“ stehen auf dem Stundenplan. Dahinter verbirgt sich der Gedanke, dass herkömmliche, streng in Fachbereiche unterteilte Lehre der Realität des Unternehmertums kaum gerecht wird
Die Motivation zur Gründung dieses Studiengangs erläutert Michael Vogel mit einem Zitat von Muhammad Yunus, dass wir an dieser Stelle gerne wiederholen: „Unser heutiges Bildungssystem produziert Arbeitsplatzsuchende mit Bewerbungsmappe, obwohl es eigentlich Arbeitsplatzschaffende mit Business Plan hervorbringen sollte.“ Mehr Informationen findet ihr auf der Homepage unternimm-doch-was.de.
Der nächste Stammtisch in Bremen wird am 4. Juni stattfinden. Jetzt bei Facebook teilen!