Social Entrepreneurship Camp an der DHBW Lörrach – Der Nachbericht
Sonntagmorgens um zehn in Lörrach: Die Kreisstadt im südwestlichen Zipfel Deutschlands schlummert noch vor sich hin. An einer Hangstraße liegt die Duale Hochschule Baden-Württemberg. Der Campus ist ausgestorben und ruhig, schließlich verirrt sich am Sonntagmorgen kein einziger Student in die Hochschule. Oder?
Weit gefehlt. An diesem Sonntagmorgen rauchen beim Social Entrepreneurship Camp bereits die Köpfe. Vom Freitag, den 7. Februar bis zum Sonntagmittag gehörte die Hochschule 21 Studierenden und TeilnehmerInnen, 4 ReferentInnen und dem Team der Hilfswerft. Ihre Mission: Kreative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen finden! Und vielleicht sogar damit Geld verdienen? Vor Beginn des Camps hatten viele TeilnehmerInnen nur eine vage Vorstellung davon, wie das funktionieren sollte. Doch sie brachten ihr Interesse und Engagement mit. Nach drei Tagen Teamarbeit und Unterstützung von Speakern aus der Praxis präsentierten sie bereits eigene Geschäftsmodelle für Social Businesses.
Tag 1 – Unternehmerischer Erfolg – Was ist das eigentlich?
Den Einstieg in das Camp lieferte Hilfswerft-Mitgründer Carsten Lessmann. Er machte die TeilnehmerInnen mit der Arbeit von Muhammad Yunus, dem wohl berühmtesten Sozialunternehmer, vertraut. Mit seiner Mikro-Kreditbank lindert der Friedensnobelpreisträger Yunus die Armut in Bangladesch.
Nicht weniger spannend war der anschließende Praxis-Impuls von Christian Hiß, der 2006 die Regionalwert AG gründete. Als ihm gesagt wurde, dass gute Landwirtschaft sich „einfach nicht rechne“ gründete er kurzerhand eine Bürgeraktiengesellschaft. Mit einem Grundkapital von 4,5 Millionen Euro finanziert diese inzwischen ein Netzwerk von ökologisch arbeitenden Landwirtschaftsbetrieben und Bio-Läden. Außerdem nimmt Christians neue Methode der Buchhaltung klassische Vorstellungen von Unternehmenserfolg auseinander: Sie bilanziert nicht ausschließlich die finanzielle, sondern auch die ökosoziale Rendite. Dazu bombardierten ihn nicht nur die BWL-Studierenden mit Fragen.
Nach einer Pause folgte gleich der nächste spannende Praxisgast: Andreas Renner, der Gründer von Gexsi. Er lieferte den TeilnehmerInnen kreative Finanzierungsideen für ihre gesellschaftlichen Unternehmungen. Seine Internet Suchmaschine Gexsi ist hierfür das beste Beispiel. Sie funktioniert bereits als leistungsfähiges Fundraising Instrument für Social Entrepreneure.
Im anschließenden Gruppenfindungsprozess konnten die TeilnehmerInnen das Gelernte in eigene Ideen verarbeiten. Fünf Teams fanden sich zusammen und diskutierten heiß über die gesellschaftlichen Themen, die ihnen am Herzen liegen.
Tag 2 – Verliebt euch in das Problem! Wenn es Sinn macht.
Nach einem kurzen Warm-Up schärften die Teams am zweiten Tag im Social Entrepreneurship Camp ihre Ideen. In dieser Arbeitsphase einigten sie sich auf den gemeinsamen Weg für die Unternehmung, verwarfen alte Ideen und krempelten neue um.
Dabei half ihnen im darauffolgenden Impuls Isabell Schäfer-Neudeck. Sie ist Coach für Selbstbefähigung und Engagierte in der Initiative fairNETZt Lörrach. Um die TeilnehmerInnen bei ihrer eigenen gesellschaftlichen Lösung zu unterstützen, richtete sie den Blick zunächst nach innen. „Wenn euch der Sinngrund fehlt, verläuft sich eure Unternehmung und passt sich nur schwer an neue Umstände an.“, erklärte Isabell. Bevor das Fahrzeug konstruiert wird, stellt sich also zuerst die Frage nach dem Antrieb. Aber was ist der Grund für meine Arbeit und welchen Sinn sehe ich darin? Um das herauszufinden, diskutierten die TeilnehmerInnen über ihre persönlichen Herausforderungen und Utopien.
Beim anschließenden Lunch konnten sich die jungen Menschen weiter austauschen. Projektleiter des Social Innovation Lab im Grünhof e.V., Florian Boukal, lieferte ihnen im nächsten Impuls weitere Tools für ihre Unternehmungen. Durch seine Erfahrungen in Gründung und Entwicklung von nicht-profitorientierten Organisationen kennt Florian die Schwierigkeiten von Gründern: Schnell sind sie so begeistert von ihren Lösungen, dass sie sie an der eigentlichen Zielgruppe vorbei entwickeln. Daher zeigte er den TeilnehmerInnen Wege, die Herausforderungen und die Menschen, die sie adressieren möchten, kennenzulernen. Anstatt sich vorschnell in die eigene Idee zu verlieben.
Anhand des Business Model Canvas verfeinerten die Teams in einer weiteren Arbeitsphase ihre Geschäftsmodelle. Nun mussten sie konkrete Fragen nach ihren Zielgruppen, Schlüsselaktivitäten und Einnahmequellen beantworten.
Tag 3 – Let’s pitch!
Sonntag war der große Tag für die TeilnehmerInnen, um ihre eigenen Social Business Ideen zu präsentieren. Dazu lieferte ihnen Carsten Lessmann einen ersten Impuls, indem er beispielhaft die Hilfswerft pitchte. Das Wichtigste über ein Unternehmen in nur fünf Minuten spannend erzählen? Gar nicht so einfach. Ein letztes Mal stürzten sich die TeilnehmerInnen also in die Arbeit, um ihre eigenen Elevator-Pitches vorzubereiten. Präsentieren mussten sie sich vor den anderen Teams und einer Jury bestehend aus Isabell Schäfer-Neudeck und Carsten Lessmann.
Unsere Pitches beim Social Entrepreneurship Camp
Die Gruppe Komm gut! mit dem Thema Verkehrswende präsentierte die Initiierung einer App. Mit ihrer Hilfe sollen verschiedene Mobilitätstypen wie ÖPVN, DB, Mietwagen, Busse oder Mitfahrerbörse einfach verglichen werden. Neben der schnellsten und günstigen Variante gibt sie auch immer die nachhaltigste Möglichkeit anhand des CO2-Ausstoßes an. Dies kann die Nutzer motivieren, noch nachhaltiger zu reisen.
Das Team Naschkatzen AG zeigte sein Konzept für die Etablierung eines Automaten-Netzes. Hiermit möchte es nachhaltige Snacks und Süßwaren einfach zugänglich machen. Natürlich inklusive abbaubarer Verpackungen und Pfandsystem.
Ein weiteres Team setzte seinen Fokus auf Wasserkraft: Es präsentierte eine Vision zur autarken Energiegewinnung im ländlichen Raum. Mittels Wasserräder sollen zum Beispiel Handwerksbetriebe vom Stromnetz unabhängig gemacht werden.
Team Yo’work entwickelte einen Lösungsansatz für den Ausbildungsmangel in Deutschland: Über seinen Youtube-Kanal möchten es junge Menschen zielgruppengerecht ansprechen. Ziel ist es, mit Hilfe von Videos Wissen über den Alltag in verschiedenen Ausbildungsberufen und die richtige Bewerbung zu vermitteln.
Zu guter Letzt zeigte das Team Shredcom ein System, um auf niedrigschwelligem Weg Plastikmüll lokal aufzubereiten. Das recycelte Plastik könnte für Bänke im Park oder Spielplatzgeräte verbraucht werden. Dies würde die Kommunen entlasten und Logistikwege reduzieren.
Mit dem Jury-Feedback zu den Pitches beendeten wir das Social Entrepreneurship Camp. Unser herzlicher Dank geht an die DHBW und die Schöfplin Stiftung für die gelungene Zusammenarbeit und an die Speaker und Juryteilnehmer für ihren wertvollen Input. Weiterhin an unsere TeilnehmerInnen für ihre gute Mitarbeit und tollen Ergebnisse. Ohne die großartige Unterstützung der DHBW-Mitarbeiter und der Studierendenvertretung vor Ort wäre das Camp nicht möglich gewesen.
Bei Fragen und Anregungen melden Sie sich gerne bei carsten@hilfswerft.de.
Stimmen aus dem Camp
Gerade an Hochschulen gibt es so viel Interesse für soziale oder ökologische Themen. Leider wird dies in den Studienveranstaltungen nicht richtig abgeholt. Deswegen finde ich das Camp unheimlich wertvoll.
Florian Boukal, Speaker und Projektleiter Social Innovation Lab bei Grünhof e.V.
Das Know-How zu bekommen und sich mit Menschen auszutauschen, die alle motiviert sind und Lust haben, etwas zu bewegen – das hat mich beeindruckt und gestärkt.
Oliver Betz, Studentischer Teilnehmer
2 Antworten
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[…] Kontakt zur Hilfswerft ist ja nie ganz abgebrochen: Nach meinem Weggang durfte ich noch euer Social-Entrepreneurship-Camp in Lörrach begleiten oder gemeinsam mit Fabian Oestreicher für Nachhaltigkeitsschwerpunkte schreiben. Das […]