Die Premiere unseres Starter Camps – über Nacht digital

Wie hatten uns mal wieder auf eine Präsenzveranstaltung gefreut, doch dann machten die Corona-Zahlen ein Strich durch die Rechnung. Daher lest ihr hier, wie wir die 24 Stunden vor dem Veranstaltunsgbeginn verbracht haben und wie unsere Premiere des Starter Camps-Formates lief.

Launch unseres neuen Formates „Starter Camp“

Mit frischen Ideen und Ansätzen haben wir die letzten Wochen an einem neuen Format gearbeitet. Das erste Starter Camp der Hilfswerft stellt die nächste Stufe nach unseren Social Entrepreneurship Camps dar. Wir dachten vor allem an Gründungsinteressierte und -willige, aber auch mögliche Intrapreneurs, die ernsthafter den Schritt in Richtung Gründung gehen wollen.

Bei den Social Entrepreneurship Camps setzen wir dagegen mehr auf den Bildungsaspekt und sensibilisieren insbesondere Studierende für Social Entrepreneurship. Das erste Starter Camp konnten wir in Bremen umsetzen, da uns dort das Amt für Versorgung und Integration Bremen (AVIB) dabei unterstützte. Der Pilot erhielt daher das Themas „Inklusion als Wettbewerbsvorteil“. Erste Ergebnisse sollten schon in 1,5 Tagen erarbeitet werden, um auch Berufstätigen ein attraktives Veranstaltungsangebot bieten zu können.

Bremen wird zum Risikogebiet – alle Vorbereitung umsonst?

Mit dem Creative Hub hatten wir eine Location ausgewählt, um an einem kreativen, pragmatischen und nachhaltigen Ort gemeinsam mit allen Teilnehmenden zu arbeiten. Natürlich durfte in Zeiten der Pandemie das  entsprechende Hygienekonzepts nicht fehlen, wir waren bestens gerüstet: Desinfektionsmittel, Maßband, Markierungsstreifen, Goodie Bags für Pausensnacks, Hinweisschilder, Wegweiser, Namenslisten usw…

Und dann kam doch alles anders! Der 7 Tage-Index stieg für Bremen so an, dass die ersten besorgten Nachfragen von Teilnehmenden kamen und externe Akteure konnten und wollten nicht mehr anreisen.

In 24 Stunden von der Päsenzveranstaltung zum Online-Format

In einer Nacht- und Nebelaktion entschieden wir, dass wir den Workshop nicht als Präsenz-, sondern als Online-Seminar umsetzen werden. Wie gut, dass wir seit März geprobt sind in der digitalen Umsetzung und die technische Infrastruktur verfügbar war. Nun galt es in kürzester Zeit alle Beteiligten, Teilnehmenden, Referent_innen, Jurymitglieder zu kontaktieren und für das digitale Format vorzubereiten.

Auf der anderen Seite mussten alle Arbeitsmaterialien von analog auf digital umgearbeitet, Technikchecks durchgeführt und in einigen Fällen zusätzliche Akteure akquiriert werden. Nach intensiven 24 Stunden konnten wir dann digital starten – mit nur wenigen Abstrichen und nach einer langen Nacht…

 

Raul Krauthausen zeigt auf, was für ihn Sozialheld*innen ausmachen.

Auftakt mit Inklusionsaktivist Raul Krauthausen

Als besonderes Highlight begrüßten wir am Anfang des Camps Raul Krauthausen – Inklusionsaktivist, Social Entrepreneur und Social Business Angel der Hilfswerft – mit einer Keynote. Er ließ uns gemeinsam hinter die Kulissen von Sozialheld_innen blicken und sensibilisierte für die aktuelle Situation, Herausforderungen und Missstände, mit welchen sich behinderte Menschen täglich konfrontiert sehen.

Er appellierte, dass nicht Umdenken im Kopf, sondern viel mehr Umdenken im System, „the way to be“ sei. Mit seinem Aufruf „Einfach mal machen!“ wurden die Teilnehmenden mit einer ordentlichen Portion Motivation abgeholt und mitten im Thema.

Erfahrungsaustausch mit den Expert_innen aus der Szene

Doch welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, inklusiv zu wirtschaften? Im anschließenden „Panel of Opportunity“ hatten wir eine spannende Runde aus Praxisexpert_innen, welche über ihre Projekte berichteten und ihre Erfahrungen mit uns teilten.

Nils Altenkamp, Geschäftsführer der Möbelunion und Gründer der Treppenunion, erzählte uns, wie er einen Inklusionsbetrieb gegründet hat um Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Arbeit anzubieten – gemeinsam mit Menschen ohne Behinderung.

„Der gute Wille war bei allen für das Projekt vorhanden, aber es gab eben auch viele Fragen, die man klären musste“, so Nils Altenkamp.

Das Panel zeigte verschiedene Herangehensweisen und Herausforderungen auf.

Nachdem er bereits positive Erfahrungen mit einem gehörlosen Mitarbeiter gesammelt hat, berichtet er, dass der Einsatz eines einzelnen Mitarbeiters von dessen Beeinträchtigung abhängt und man für jede und jeden eine passende Aufgabe schaffen muss.

Thomas Bretscheider, Vorstand des Martinsclub Bremen, welcher auch das Bistro Rotheo betreibt, berichtet über Inklusionsbetriebe im Arbeitsleben, über Gestaltungsmöglichkeiten und Hemmnisse. Als erfahrener Akteur in Bremen beobachtet er jedoch auch kritisch die Entwicklung und fordert mehr Unterstützung. Ein Inklusionsbetrieb muss sich auch wirtschaftlich rechnen, ansonsten könnten nur jene Betriebe überleben, welche eine große Organisation hinter sich wissen.

Auch Michael Scheer, Geschäftsführer der Gesellschaft für integrative Beschäftigung, betonte die Herausfoderungen der Inklusion. Dennoch nutzte er auch die dem Panel namensgebende Gelegenheit und gründete die Gemüsewerft. Auf dem ehemaligen Kellogg-Areal hat diese ein 2.000 m² grosses Areal mit 80 Meter Weserufer erhalten und erschloss den Raum gemeinsam mit Menschen mit Behinderung zur urbanen Landwirtschaft mit Biergarten.

In mehr als 400 Hochbeeten gedeihen Gemüse, Kräuter und Obst, zahlreiche Hopfenpflanzen wachsen in die Höhe. Letztere finden dann auch den Weg in ein regionales Bier. Die Menschen mit Behinderung kümmern sich im Zuverdienst um die Pflanzen. Beim Einkauf von Gemüse, Kräutern und Obst treffen die Kund_innen dann durchaus auch auf die Angestellten, was manchmal zu unerwarteten Begegnungen führte und oftmals mit einer wertvollen Bereicherung auf beiden Seiten endete.

Milena Solos und Björn Schulz von StattTour Hamburg stellten ihr Projekt vor und wie sie damit Barrierefreiheit und Inklusion fördern wollen. Bei ihren Touren zeigen Rollstuhfahrer_innen

Milena und Björn (StattTour) rufen zum Handeln auf.

Hamburg aus ihrer Perspektive. Die Besonderheit: Auch Fußgänger_innen erleben die Stadt im Rollstuhl.

Wie schafft man Bewußtsein, wie entstehen Ideen und welche Lösungen können geschaffen werden? Darum macht sich der Tourguide Björn Schulz auch seine Gedanken, will auch betonen, dass man nicht nach ein paar Minuten Tour begreifen kann, wie der Alltag im Rollstuhl aussieht. Aus einer Enactus-Gruppe in Hamburg entstand Mitte 2019 die Idee und wurde im Juni 2020 gegründet.

Teambildung und Ideenentwicklung mit Kreativtechniken

Schließlich sammelten wir mit allen Teilnehmenden ihre favorisierten Themen und Herausforderungen, zu welchen sich dann Teams bilden sollten um die Idee per Kreativitätstechniken weiter zu entwicklen.

Mit Ausblick auf den Folgetag stellten wir das Projekt Canvas vor, um ihn als Orientierung für die verschiedenen Aspekte eines Geschäftsmodells zu nutzen. Der Tag wurde mit einem gemeinsamen Feedback reflektiert. Mit diesen Eindrücken haben Fabian und Nils – unsere Moderatoren – den Ablauf für den nächsten Tag nochmal angepasst.

Weitere Praxisimpulse von Expert_innen aus der Inklusionsszene

Ausgeruht, mit frischem Kopf und gestraffter Agenda, starteten wir den nächsten Tag.
Anke Treseler vom AVIB war unsere erste Referentin und stellte die Aufgaben des AVIBs vor. Als Expertin für Inklusionsbetriebe konnte sie vor allem in diesem Bereich über die Fördermöglichkeiten, Unterstützungsangebote und Programme zielführende Auskunft geben.

Nach fachlichen Inputs und in Gruppenphasen arbeiteten die Teams an ihrem Projekt-Canvas, mit dem Value Proposition Canvas und an Ertragsmodellen für ihre Projekte. In der Session des „1 x 1 des Pitchens“, gab es noch einmal Hinweise, worauf es beim Pitchen ankommt und welche Tricks hilfreich sind.

Flexibilität bis zum Schluss: Mini-Moonshot-Session statt geplanter Pitch Runde

Die geplante Pitch-Runde haben wir in Abstimmung mit den Beteiligten in eine Mini-Moonshot-Session umgewandelt. In  kurzer Zeit sollten die anwesenden Expert_innen die vorhandenen Ideen einen möglichst kräftigen Schub zum Raketenstart geben.

Die beiden finalen Teams nutzten die Chance in einen intensiven und persönlichen Austausch mit unseren Expert_innen zu gehen und sich konkretes Feedback zu ihren Vorhaben zu holen.

In der Feedbackgeber_innen- Runde begrüßten wir neben Anke Treseler auch Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter von Bremen, Marco Bockholt, Gesamtschwerbehindertenvertreter für den bremischen öffentlichen Dienst, Sophia Kück, Autismus-Therapiezentrum Bremen Buntentor, Sabine Bütow als Geschäftsführende des Netzwerk Selbsthilfe Bremen-Nordniedersachsen und Lutz Augustin, der mit seinem Team selbst mit dem Startup Depression Loose – Souls wins in Bremen Fuß fassen wollen.

Und das waren die Ideen der Teams:

ISO inklusive: Was die DIN für das Papier ist, das soll ein neuer Standard für die Digitale Barrierefreiheit werden. Dieser soll inklusiv entwickelt werden und dazu führen, dass barrierearme Web-Angebote bevorzugt werden. „Acessibility by design“ heißt hier das Motto, das in die Vergabe eines Siegel als Freemium-Angebot münden soll.

Arbeitsbrücke: Das Budget für Arbeit soll es Menschen mit Behinderung, die einen Anspruch auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt haben, erleichtern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu kommen. Arbeitgeber erhalten einen Ausgleich für die dauerhafte Minderleistung des behinderten Beschäftigten und erforderlichen Assistenzleistungen. Doch das Angebot ist laut Team noch zu wenig bekannt. Es müsste eine Plattform geben, welche hierüber informiert und auch bei den Menschen mit Behinderung ankommt. Die Organisation würde sich als Brücke zwischen Arbeitsamt, Werkstatt und Arbeitgeber sehen.

 

Stimmen der Teilnehmer_innen:

„Bin beeindruckt, wie professionell das vorgestellte Angebot umgesetzt wird

„Sehr gut vorbereitetes Team, im Vorfeld schon sehr bedacht, Schwierigkeiten vorzubeugen und zu Lösungen beizutragen“

„Begeisterung lässt sich auch digital vermitteln

„Bin für mich und mit meinem Vorhaben ein gutes Stück weitergekommen. Es war unglaublich hilfreich, in so kurzer Zeit so viel weiterzukommen.

 

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