Praxis-Austausch: Wir sprechen über Chancen und Widersprüche bei der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt
Das war unser „Praxis-Austausch: Inklusion in der Arbeitswelt“
Am 5. Mai haben wir uns mit über 50 Gästen in der RW21 Stadtbibliothek in Bayreuth zum „Praxis-Austausch: Inklusion in der Arbeitswelt“ versammelt.
Warum ein inklusiver Arbeitsmarkt eine echte Herausforderung ist, was unsere Gäste darüber gelernt haben und welche weiteren Angebote wir zum Thema Inklusion und Teilhabe für die Region planen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Sie finden das Thema Inklusion im Arbeitsleben spannend und kommen aus der Region Oberfranken? Springen Sie hier direkt zur Anmeldung für unser Projektfinale!
Warum ein Praxis-Austausch zur Inklusion auf dem Arbeitsmarkt?
Der 5. Mai ist seit 1992 Aktionstag und europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Dennoch sind wir über 30 Jahre nach Einführung dieses Tages noch weit von einem inklusiven Arbeitsmarkt entfernt. Warum ist es wichtig, darüber zu sprechen?
1. Obwohl viele Menschen mit Schwerbehinderungen überdurchschnittlich gut qualifiziert sind, ist die Arbeitslosenquote in ihrer Gruppe doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderungen: Über 100.000 Arbeitgeber:innen in Deutschland verschenken das Potential von Talenten mit Behinderungen – und zahlen lieber die gesetzliche Ausgleichsabgabe. Dabei werden bei Betrieben, die keine Menschen mit Schwerbehinderungen einstellen, in Zukunft sogar doppelt so hohe Abgaben wie bisher fällig. Zur gleichen Zeit herrscht in vielen Branchen Fachkräftemangel und deutsche Unternehmen haben immer größere Schwierigkeiten, offene Stellen mit Personal zu besetzen. Zusammengefasst: Auf die Talente von Menschen mit Behinderungen zu verzichten, ist eine Lose-Lose-Lose-Situation für Unternehmen.
2. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Inklusion – das ist seit 1994 in unserem deutschen Grundgesetz verankert. Außerdem kann sich Inklusion für uns alle auszahlen: Da sie im eigenen Alltag mit Einschränkungen zurechtkommen, bringen Menschen mit Behinderungen oft auch beruflich neue Denkansätze in ihr Team mit. Ein wertschätzendes und vielfältiges Kollegium entwickelt so nicht nur kreativere Ideen – sondern wirkt für alle Bewerber:innen (ob mit oder ohne Behinderungen) noch anziehender. Auch Themen wie (digitale) Barrierefreiheit und Zugänglichkeit in Unternehmen nutzen schlussendlich allen.
3. Rein quantitativ geht Inklusion uns alle an – und ist alles andere als ein Nischenthema: Im Jahr 2021 lebten in Deutschland ungefähr 7,8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderungen. Das sind rund 10% aller Deutschen. Laut Statistik müsste demnach ungefähr jeder Zehnte in Ihrem Umfeld eine Behinderung haben. Die Realität sieht allerdings anders aus: Fast jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland hatte im Job noch keine Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderung. Wie ist es bei Ihnen? Und was können Sie tun, um auf Menschen mit Behinderungen zu treffen?
Inklusion ist eine Aufgabe für uns alle: Jede:r kann mitmachen, sie zu verbessern – jede:r gewinnt, wenn alle ihre Potentiale entfalten können.
Mission: Inklusion! Das ist unser Plan in Bayreuth:
Unser „Praxis-Austausch“ dient als öffentliche Netzwerkveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger der Region Oberfranken. Gleichzeitig ist er Teil eines Bildungsprogramms für Studierende der Universität Bayeuth, das bereits zum zweiten Mal stattfindet: Die Social Entrepreneurship Mission: Inklusion.
Im Verlauf des Sommersemesters 2023 werden Studierende der Universität Bayreuth eigene Konzepte zur besseren Inklusion entwickeln. Dabei begleitet sie das Institut für Entrepreneurship und Innovation der Universität Bayreuth und wir, die Hilfswerft gGmbH. Finanziell ermöglicht wird das Programm vom Zentrum für Bayern Familie und Soziales.
Ziel ist, reale Inklusionsbarrieren lösungsorientiert anzugehen. Dazu konnten die Teilnehmenden sich auf unserem „Praxis-Austausch“ mit relevanten Akteuren vernetzen und den Barrieren auf dem Weg zur Inklusion auf den Grund gehen.
Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie wir das Bildungsformat „Social Entrepreneurship Mission“ erfolgreich umsetzen und welche Verbesserungspotenziale wir in diesem Jahr erschließen konnten, können Sie sich jetzt für einen Austausch innerhalb unserer WIRKsession anmelden.
Podiumsdiskussion zur Inklusion: Was sagen die, die es betrifft?
Eingeladen zu unserem „Praxis-Austausch: Inklusion in der Arbeitswelt“ waren Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlichen Stellen und sozialen Diensten. Prof. Eva Jakob, Juniorprofessorin für Social Entrepreneurship, begrüßte die Gäste gemeinsam mit Dr. Nina Nestler, der Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Diversity an der Universität Bayreuth.
Einen tieferen Einblick in das Thema Inklusion gab ein Kurzvortrag von Marten Welschbach, der als Talentscout für Menschen mit Behinderungen bei Inklupreneur aktiv ist und selbst mit einer Behinderung lebt. In einer öffentlichen Podiumsdiskussion stellten wir ihm weitere Expert:innen zur Seite: Franziska Sgoff (Microsoft), Annegret Schnick (Gedikom), Ronja Steinke (EAA Bayern) und Dr. Christian Frühwlad (inclou. GmbH) berichteten im Interview mit Fabian Oestreicher (Hilfswerft) von ihren Perspektiven auf Inklusion im Arbeitsmarkt.
Franziska Sgoff bringt als Customer Success Managerin die digitale Barrierefreiheit bei Microsoft voran. Ihr heutige Stelle fand sie auf ungewöhnliche Weise: „Als ich im Oktober 2016 mit der S-Bahn nach München gefahren bin, hat mich eine Frau darauf angesprochen, wie ich blind mein Smartphone mit Sprachausgabe bedient habe“, berichtete Franziska auf unserem Podium, „Aus diesem Gespräch hat sich am Ende eine besondere Möglichkeit für mich ergeben, denn es war auch eine Vertreterin von Microsoft dabei, die meine Smartphone-Nutzung spannend fand. Sie erzählte, dass in ihrem Team sehr viel Wert auf Barrierefreiheit gelegt wird und da hab ich gleich gefragt, ob ich sie unterstützen könnte“.
So wurde aus einem Gespräch in der Bahn ein Praktikumsplatz und schließlich Franziskas heutige Arbeitsstelle – als erste blinde Mitarbeiterin bei Microsoft Deutschland. Jedoch: Auch, wenn es im Team gepasst hat, gab es Hürden zu überwinden. „Ich selbst weiß zum Beispiel gar nicht, welche Fördermöglichkeiten es für mich gibt und welche Stelle für was zuständig ist“, berichtete Franziska, „Da brauchen wir dringend mehr Transparenz. Am Ende hat Microsoft die Hilfsmittel gezahlt, die ich für meine Arbeit im Praktikum gebraucht habe. Wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, an wen wir uns für Unterstützung wenden müssen.“
Auch Annegret Schnick, Prokuristin der Gedikom GmbH, beschäftigen die Themen Intransparenz und Unwissenheit – hierbei schließt sie jedoch auch die Unternehmen ein: „Für uns Arbeitgeber:innen ist Inklusion häufig ein sensibles Thema. In vielen Fällen liegt das allerdings an Unkenntnis im Thema Inklusion. Das führt zu Vorurteilen und Abwehrverhalten: Inklusion können wir nicht, Inklusion wollen wir nicht. Ich kann nur jeden aufrufen, sich einfach mal an das Thema heranzutrauen – auch, wenn er oder sie noch nicht weiß, wie alles geht.“ Ronja Steinke hat als Inklusionsberaterin beim EAA Bayern die Erfahrung gemacht, dass vor allem Fragen der Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielen. „Zu mir kommen viele Arbeitgeber:innen, die Personal suchen“, berichtet sie, „Oft geht es dabei gar nicht – wie man vielleicht erwarten würde – um Mobilitätseinschränkungen, sondern um ganz andere Themen, die das gemeinsame Arbeiten betreffen.“
Dr. Christian Frühwald hat bereits mehrere Inklusionsbetriebe gegründet und für Inklusionsprojekte sogar Markenriesen wie Coca Cola erfolgreich ins Boot geholt. Für ihn ist Inklusion ein „unaufgebbarer Teil einer nachhaltigen Entwicklung“. Im Umgang mit Angestellten plädiert er für Klarheit: „Menschen mit Behinderungen sollten unbedingt die Möglichkeit bekommen, ehrliches und konstruktives Feedback zu ihrer Arbeit zu erhalten – und nicht überbehütet werden“, findet er.
Als Mentor für Inklusion und Unternehmensgründer mit Behinderung kennt Marten Welschbach beide Seiten: „Im Fachkräftemangel auf die Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen zu verzichten, ist unternehmerisch einfach nicht intelligent“, fasst er zusammen, „Ich kann nur jedem empfehlen: Lernt einfach Menschen mit Behinderungen kennen. In meinem Team bei Inklupreneur organisieren wir Speeddatings zwischen Unternehmen und jungen Talenten mit Behinderungen. So bauen wir Berührungsängste ab.“
Workshop und Dialog: Was haben unsere Gäste mitgenommen?
Nach der Podiumsdiskussion erhielten unsere Gäste die Möglichkeit, sich an Thementischen über die größten Herausforderungen im Bereich Inklusion und Arbeit auszutauschen. Gemeinsam mit Studierenden-Teams der Universität Bayreuth entwickelten wir das Gelernte anschließend in einem geschlossenen Workshop weiter.
Die Studierenden der Universität Bayreuth erwartet in den nächsten Monaten ein umfassendes Bildungsprogramm: Angeleitet durch Workshops und Coachings mit Akteur:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft werden unternehmerische Ideen für eine bessere Inklusion entstehen.
„Euer Ansatz bietet eine weitere Möglichkeit, die Lücke zwischen Angeboten der öffentlichen Hand, den betroffenen Menschen und den Unternehmensbedarfen zu schließen. Lasst uns weiter versuchen, miteinander in Kontakt zu kommen!“
Marco Marino, Geschäftsführer conexon GmbH
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Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie wir in Bildungsformaten wie der Social Entrepreneurship Mission gesellschaftliche Probleme anpacken, können Sie sich jetzt für eine digitale WIRKsession anmelden. Wir lassen uns in die Karten schauen und teilen die Erkenntnisse aus unserer Durchführung: Welche Abläufe halfen den Teilnehmenden auf dem Weg zu ihren eigenen sozialen Geschäftsmodellen? Wie haben wir Wirtschaft, Wissenschaft und soziale Dienste erfolgreich integriert? Welches Verbesserungspotenzial haben wir erschlossen? Und: Mit welchen Maßnahmen konnten wir die durchschnittliche Weiterempfehlungsquote für die Social Entrepreneurship Mission von 7,5 auf 8,9 erhöhen?
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