Digitale Umsetzung von interaktiven Gruppenworkshops

In diesem Artikel geben wir einen Einblick, wie wir es geschafft haben, binnen weniger Tage unser Social Entrepreneurship Camp in die digitale Welt umzusetzen. Wenn Du vor einer ähnlichen Herausforderung stehst (also die Digitale Umsetzung von Workshops), haben wir für Dich schon einmal vorgedacht:

Als wir die Nachricht erhalten haben, dass Hochschulen und Universitäten keine Präsenzveranstaltung mehr abhalten durften, mussten wir schnell umdenken. Denn unsere Formate lebten bisher auch von der Interaktion vor Ort, der Dynamik, dem hektischen Betriebsamsein, wenn die nächste Aufgabenfrist nur wenige Minuten entfernt ist.

Unsere Camps – Normalerweise voll in Action

Für unser anstehendes Social Entrepreneurship Camp in Bremerhaven haben wir uns der Herausforderung angenommen, unser Workshop artige Seminar so gut es geht digital umzusetzen. Eine inhaltliche Übersicht davon könnt ihr hier im Nachbericht lesen.

Doch an dieser Stelle soll es darum gehen, wie wir auf die technische Umsetzung gekommen sind und was dabei zu beachten war. So können auch andere Akteure in ähnlichen Situationen davon lernen.

Die Voraussetzungen

Interaktion und Gruppenarbeit – das sind entscheidende Faktoren unserer Camps. Am Anfang ist es ratsam, sich darüber klar zu werden, was man alles für Feature braucht. Wir benötigten im besten Fall:

  • Live-Videokonferenz, um sich mit dem Teilnehmenden auszutauschen. Gesicht zu zeigen fanden wir außerdem wichtig, um dem visuellen Reiz neben den Präsentationen weiteres Futter zu geben.
  • Gruppenräume: Die Teilnehmenden sollten am besten innerhalb des Videokonferenzsystems die Gelegenheit haben, sich in getrennten Bereichen frei unterhalten zu können. Dies macht sogenannte Breakout-Räume erforderlich.
  • Belebungselemente: Um auch im Digitalen die Teilnehmenden vor ihren Bildschirm aktiv zu halten, sollten Umfragen und/oder interaktive Whiteboards im Angebot enthalten sein.
  • Leichter Zugang: Auch wenn die Hauptzielgruppe Studierende sind, sollten externe Gäste teilnehmen können. Je weniger Erklärungen und Plattformen für die Abbildung des Camps nötig sind, desto höher steigt die Akzeptanz.
  • Vorbereitung: Vor einem Camp wird es hektisch und stressig. Es wäre also gut, wenn man möglichst viel im Vorhinein vorbereiten kann.
  • Kosten: Wie jedes Sozialunternehmen auch, müssen wir auf die Kosten schauen. Daher sollte der Betrag im Verhältnis zu den Gesamtkosten stehen.

Das Angebot

Als einschränkender Faktor stellte sich das Feature der Gruppenräume dar. Nach einer ersten Analyse konnten nur Adobe Connect und zoom den Anforderungen entsprechen.

Hier eine kleine subjektive Gegenüberstellung der beiden Angebote:

Wie vielleicht aus der kleinen Gegenüberstellung ersichtlich, haben wir uns mehr mit zoom beschäftigt. Ausschlaggebend war hier vor allem der Preis von Adobe Connect. Zwar ist ein Zugang meist auch über Hochschulen möglich, doch möchten wir davon unabhängig sein und nicht bei jedem Kooperationspartner erneut hoffen, dass Sie Adobe mit im Angebot haben. Der entsprechende Tarif Adobe Connect Learning fängt bei 340 € pro Monat an. Die ermäßigte Jahresgebühr beträgt heruntergerechnet immer noch 269 € im Monat.

Also haben wir uns erst einmal für zoom entschieden. Der Preis von 14 € im Monat pro Moderator ist fair. Obwohl es ein zusätzlich buchbares Feature namens Videowebinar gibt, können wir dieses nicht empfehlen. Die Teilnehmenden haben hier nur die Möglichkeit über Chat Fragen zu stellen, nicht über ihr Mikrofon. Spätestens bei Gruppenpräsentation gestaltet sich das als schwierige Grundlage.

Und so hätten wir für unser Camp zoom verwendet, wenn wir durch eine weitere Recherche nicht doch noch auf ein anderes Angebot gestoßen wären.

Unser persönlicher Gewinner: BigBlueButton!

BigBlue was? Seltsamerweise wird dieses Plugin oftmals in Vergleichen übersehen. Das kann daran liegen, dass die technische Hürde hoch ist, BigBlueButton als alleiniges Videokonferenz zu nutzen. Kurzum: Ihr braucht dafür sehr schnelles Internet.

Doch es gibt ein Trick: In der Lernplattform Moodle ist das Plugin ebenfalls enthalten. Und da wir genau dieses Zusammenspiel zwischen Videowebinar und Dateiablage wollten, war es für uns auch eher ein Vor- als ein Nachteil.

BigBlueButton – hier noch mit einem Nutzer, später mit knapp 40 Nutzer*innen

Das Schöne: Beide Tools sind Open Source und erfüllen dabei unseren Anspruch, diese Soziale Innovation zu unterstützen, welche wir als Teams in unsere Arbeitsorganisation schon weitgehend integriert haben. BigBlueButton ist leicht verständlich und hat alles, was wir brauchen:

  • Breakout-Räume
  • Video-Conferencing
  • Statusicons (Hand heben, Daumen hoch, etc.)
  • Öffentlicher und privater Chat
  • Hochladen mehrerer Präsentationen gleichzeitig, die dann schnell ausgewählt werden können (insbesondere beim Switch zwischen mehreren Impulsen wichtig)
  • Whiteboard (dafür dient einfach die aktuelle Präsentations-PDF)
  • Screensharing
  • Sowohl Moderator als auch Teilnehmende können auf das Whiteboard schreiben, zeichnen oder Markieren.
  • Spielereien wie verschiedene Umfrage-Möglichkeiten
  • Externe Videos können einfach per Link abgespielt werden.

Man kommt jedoch nur zum Tool, wenn man den passenden Zugang über Moodle hat. Dann kann das Plugin einfach als sogenannte „Aktivität“ in einen Kurs zugeschaltet werden. Moodle hat noch viele weitere Plugins wie Tests oder Evaluationen. Wir hatten jedoch nicht die Zeit, uns eingehender mit den Möglichkeiten der Lernplattform auseinanderzusetzen, deren Potenzial wir jedoch als ziemlich groß sehen. Ein Grund war hierfür auch, dass es in der Zeit der Tool-Einrichtung erhebliche Verzögerungen beim Laden von Moodle-Seiten gab. Dies ist natürlich auf den Corona-Andrang zurückzuführen, mittlerweile gibt es keine Probleme mehr. Ein großer Pluspunkt ist übrigens auch die hervorragende Community um Moodle herum, da das Tool auch in Deutschland von engagierten Lehrer*innen oder Hochschulen schon lange eingesetzt wird.

Abbildung des Ablaufs in Moodle

Um auf der sicheren Seite zu sein, haben wir uns daher dafür entschieden, die Dateien-Ablage über Nextcloud abzubilden. Diesen Anbieter nutzen wir ohnehin als Organisation und der große Vorteil daran ist, dass dort auch kollaborativ gleichzeitig in OnlyOffice-Dokumenten gearbeitet werden kann. Letzteres muss sich vor Google Docs und anderen kommerziellen Anbietern nicht verstecken.

Ordnerstruktur in Nextcloud

Für den Moodle-Zugang nutzten wir von moodleCloud (der originäre Entwickler von Moodle) das Paket „Moodle for School“ in der MINI-Version (100 User, 200 MB Speicher, 250 australische Dollar im Jahr (!), also rund 140 € und damit rund 12 € pro Monat). Dies haben wir vor allem gemacht, da damit auch die Aufzeichnung der BigBlueBotton-Sessions möglich wurde. Auch einige Gamification-Elemente und Zertifikate sind möglich. Wem 50 angemeldete Nutzer*innen reichen und auf ein paar vernachlässigbare Features verzichten kann, muss nichts zahlen. Das hat auch den Vorteil, dass Moodle dann nicht über www.name.moodle.school, sondern name.moodlecloud.com erreichbar ist, was doch etwas neutraler wirkt. Der Server steht in Irland.

 

Die Umsetzung

Alles kein Problem: Experten begutachten Teamvorstellung der jeweiligen Ideen

Nach einem kurzen Einrichten (deutsche Menüsprache ist wählbar) und Testen, stand vor allem eine Sache an: Den Teilnehmenden und Referent*innen ihre Accounts einzurichten. Hier soll es auch die Möglichkeiten geben, dass diese ihre Konten selbst einrichten können, aufgrund der Kürze der Zeit haben wir dies aber lieber selbst übernommen. Über importierbare Listeneinträge dauerte dies auch nicht lange. Die Anmeldedaten wurden dann von uns per Mail mitgeteilt. Da verschiedene Kurse existieren können, müssen die Teilnehmenden noch einmal im richtigen Kurs eingeschrieben werden. Die Datenstruktur bildeten wir wie erwähnt über Nextcloud ab, dies erfolgt wie in einem Browser-Verzeichnis.

Und dann konnte es auch schon losgehen. Die Verbindung hielt gut, auch wenn Referent*innen sich in einer Session im Schnitt einmal kurz wieder aus- und einloggen mussten. Dies konnte aber über Fragen an die Teilnehmenden schnell überbrückt werden. Für technische Probleme bei den Teilnehmenden („Ich höre nichts“, „Ich sehe nichts“, „Ich kann die Datei nicht öffnen“), ist es ratsam einen technischen Support an der Seite des Moderators zu haben.

Hören über Breakout-Raum, gemeinsam Arbeiten in OnlyOffice

Schnell handeln mussten wir bei einem Problem, welches schon bei der ersten Gruppenaufgabe aufkam: Wir haben die Anzahl an simultanten Verbindungen zu Only Office überschätzt, die tatsächlich nur bei achtzehn liegt. Zu wenig, bei einer digitalen Umsetzung von einem Workshop mit vielen Menschen. So mussten wir am ersten Tag darauf zurückgreifen, dass ein Teammitglied sein Bildschirm mit den anderen in der Gruppe teilt und nicht alle gleichzeitig am Dokument arbeiten. Mit einer erweiterten Lizenz über Nacht wurde jedoch schnell Abhilfe geschaffen. Hierfür müssen jedoch weitere Kosten berücksichtigt werde, die im mittleren bis hohen dreistelligen Bereich pro Jahr liegen. Im Anschluss lief jedoch technisch alles ohne größere Probleme glatt.

Verbesserungspotenzial und Nachklang

Das bedeutet natürlich nicht, dass es nichts zu verbessern gäbe. Auch in der analogen Social Entrepreneurship Camp-Variante passt man sich immer weiter den Bedürfnissen der Akteure an. Dafür sind wir einfach viel zu nahe am Startup-Geschehen dran, um nicht den wiederholenden Lean-Loop aus „Machen – Testen – Lernen – Besser Machen“ zu verfallen. Doch wir waren sehr glücklich, als wir das erste Feedback erhielten, das gerade die Interaktion und das neue digitale Abenteuer unseren Teilnehmenden gefallen haben. Übrigens genauso wie die weiterhin hohe Bandbreite an externen Impulsen und abwechselnden Theorie- und Gruppensessions, welche unsere Camps ausmachen.

So war uns schnell klar, dass wir die interaktive Webinarform gerne auch weiterhin als ergänzendes Produkt anbieten möchten. Schließlich haben wir jetzt die digitale Umsetzung von Workshops einmal angegangen… Vielleicht entwickeln wir dann eine Möglichkeit, alle Elemente innerhalb von Moodle abzubilden. Wie wir unser Social Entrepreneurship Digicamp weiter verbessert haben werden, werdet ihr dann in Zukunft gerne als Teilnehmer*in oder Kooperationspartner*in erleben können.

Euch sind noch Fragen bezüglich der digitalen Umsetzung von Workshops offen geblieben, ich habe Aspekte vergessen oder ihr habt Software entdeckt, die wir nicht gefunden haben? Schreibt mir gerne unter fabian@hilfswerft.de

1 Antwort

  1. 3. April 2020

    […] Gesagt, getan: innerhalb weniger Tage hat unser Team aus Fabian und Sönke die unterschiedlichsten Software-Programme getestet, gecheckt und geprüft. Der Anspruch war: schnell, interaktiv und stabil. Im besten Fall auch noch Open Source, was unseren Nachhaltigkeitsanspruch unterstreicht. Genau das wollten ja alle anderen in dieser Corona-Zeit auch. Als technologische Basis entschieden wir uns für die Open Source Software Moodle, die bereits im Bildungsbereich eingesetzt wird, in Kombination mit dem integrierten Videokonferenz-Tool BigBlueButton und Nextcloud-Services. (In deinem Blogbeitrag beschreibt Fabian den Auswahlprozess der richtigen Software.) […]

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