Erstes Social Entrepreneurship Digicamp
Not macht erfinderisch: Wir haben unser Social Entrepreneurship Camp digital umgesetzt. Hier erfahrt ihr, wie es es war.
Am Freitag 13. März diese Meldung: In allen Hochschulen im Land Bremen wird es wegen der Coronakrise bis zum 17. April keine Lehrveranstaltungen mehr geben. Das hat die Senatorin für Wissenschaft Claudia Schilling (SPD) zusammen mit den Hochschulen entschieden. Alle Präsenzveranstaltungen für die kommenden Monate: Abgesagt! Ein Schock für uns alle – und jetzt?
Statt den Kopf in den Sand zu stecken, haben wir in einem Sprint auf Basis unseres etablierten Social Entrepreneurship Camp das Social Entrepreneurship Digicamp als virtuelles Format entwickelt. Uns war es wichtig, schnelle Unterstützung und Umsetzung genau jetzt zu leisten, wo diese am stärksten benötigt wird und vor allem weiterhin erfolgreich Bildungsarbeit zu leisten.
Unsere Kooperationspartner, das Amt für Versorgung und Integration Bremen, die Hochschule Bremerhaven mit dem Studiengang Gründung, Innovation und Führung und unser Hilfswerft-Team, waren sich einig: wir wollen in dieser stark belasteten Zeit weitermachen und ermutigen neue Lehr- und Lernformen zu testen.
Gesagt, getan: innerhalb weniger Tage hat unser Team aus Fabian und Sönke die unterschiedlichsten Software-Programme getestet, gecheckt und geprüft. Der Anspruch war: schnell, interaktiv und stabil. Im besten Fall auch noch Open Source, was unseren Nachhaltigkeitsanspruch unterstreicht. Genau das wollten ja alle anderen in dieser Corona-Zeit auch. Als technologische Basis entschieden wir uns für die Open Source Software Moodle, die bereits im Bildungsbereich eingesetzt wird, in Kombination mit dem integrierten Videokonferenz-Tool BigBlueButton und Nextcloud-Services. (In seinem Blogbeitrag beschreibt Fabian den Auswahlprozess der richtigen Software.)
Noch mehr Live Eindrücke erhaltet ihr in unserem Video-Teaser aus 2 Tagen Digicamp. Viel Spaß und toll, dass ihr alle dabei wart!
Um was geht es?
Gesellschaftliche Probleme kreativ und unternehmerisch angehen und einen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft leisten – das und nicht weniger wollen Social Entrepreneurs mit ihren Initiativen für Umweltschutz, Inklusion, Gesundheit, Bildung, Integration und weiteren Herausforderungen (s. Sustainable Development Goals) unserer Zeit erreichen.
Inklusion als Gelegenheit
Das Social Entrepreneurship Digicamp in Bremerhaven setzt das um – und zwar unter dem Motto „Inklusion in der Arbeitswelt“. Das Amt für Versorgung und Integration Bremen stellte sich die Frage, wie neue und innovative Ansätze aussehen könnten, um Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu integrieren. Studierende aus interdisziplinären Studiengängen sowie externe Akteure mit Bezugspunkten zu Inklusion sollten an zwei Tagen Geschäftsmodelle entwickeln, um Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Das Expertennetzwerk: Branchen-Kenner und Enthusiasten
Die Organisatoren zeigen sich stolz, dass alle ReferentInnen ihre Teilnahme auch an der digitalen Umsetzung des Camps bestätigt haben. Sie alle eint der Bezug zu aktuellen Social-Entrepreneurship-Projekten aus dem Bereich Inklusion. Die Teilnehmenden ordneten sich zunächst in Gruppen verschiedener Zielgruppen zu, für die sie dann im Anschluss, angeleitet durch sich abwechselnde Praxis- und Theorieteile, Geschäftsideen entwickelten.
TAG 1: Teamfindung und Basiswissen
Fabian, Moderator und Mitarbeiter der Hilfswerft, begrüßte alle Teilnehmenden zu unserem 1. Online-Seminar. Mit einfachen virtuellen „Auflockerungsübungen“ lud er alle ein, sich auf die digitale Technik einzulassen, zu testen und mögliche Hemmnisse abzubauen. Der Ansatz ging auf – alle waren an Bord und vereinzelt leistete das Team im Hintergrund technischen Support wenn es um Ton, Bild oder die Verbindung ging.
Mit einer Einführung in die Chancen und Herausforderungen der Inklusion (erarbeitet von Birgit Haverkamp vom Amt für Versorgung und Integration Bremen) startete unser Seminar und gab einen ersten Überblick über die Aufgaben, Leistungensbereiche und das Angebotsspektrum der Integrationsämter.
Dabei war Annkatrin Meyer, COO bei Social Dialogue Enterprise – hier werden Formate gestaltet, die es ermöglichen, Behinderung nicht als Behinderung wahrzunehmen und im Perspektivwechsel auch eine Beschäftigungsmöglichkeit zu sehen. Sie berichtet vom wahrscheinlich bekanntesten Beispiel „Dialog im Dunkeln“, in dem Menschen mit Sehbehinderung durch einen dunklen Parkour führen oder in einem wortwörtlichen Blind Dinner als Servicekräfte zum Einsatz kommen. Die Überlegung des Gründer Andreas Heinecke war: Was passiert, wenn man das Licht ausschaltet, einen Raum komplett verdunkelt und blinde und sehende Menschen zur Begegnung mit vertauschten Rollen einlädt? Mit dem Ziel, sehenden Menschen den Alltag von Menschen mit Blindheit näher zu bringen und eine Begegnung auf Augenhöhe zu ermöglichen,
wurden durch die Ausstellungen weltweit etwa 9.000 Arbeitsmöglichkeiten für Blinde und Sehbehinderte geschaffen. Dialog im Dunkeln ist ein Social-Franchise-Produkt der Dialogue Social Enterprise GmbH (DSE), inzwischen erweitert durch Dialog im Stillen und Dialog mit der Zeit.
Timm Duffner, „Social Activist“ bei der fairen Eismarke Ben & Jerry‘s und Gründer von HEYHO!, der sozialen Müslirösterei, berichtet über eine positive Teilhabe, die Bedeutung auf die Kundenbedürfnisse einzugehen und „faire Zutaten„. Als Praxisimpuls erklärten Fabian und Timm den Teilnehmenden das Value Proposition Canvas anhand von HEYHO! Dann hieß es erste Gruppenarbeitsphase für die Teams: bitte formuliert den „How might we„-Satz für euer Vorhaben und sammelt Post It’s für Jobs (Aufgaben), Pains (Probleme) & Gains (Gewinne). In virtuellen Gruppenräumen ging es darum, die Nutzergruppe kennenzulernen und deren Bedarfe zu identifizieren. Wir waren gespannt, ob diese erste digitale Teamsession funktionieren wird – mit etwas Knoff-Hoff konnten am Ende alle Teilnehmenden in den Breakouts arbeiten. Anschließend entließen wir die Teams in den Feierabend – und konnten im Hintergrund noch an technischen Kapazitätserweiterung tüfteln…
Übrigens: In diesem gerade veröffentlichten Galilieo-Beitrag kann man nochmal einen beeindruckenden Blick hinter die Kulissen von HEYHO! Granola werfen.

Interaktiv und digital – Moderator Fabian und Referent Timm Duffner füllen eine Arbeitsvorlage aus. Die Teilnehmenden schauen zu und können live Fragen stellen. | Quelle: Hilfswerft
TAG 2: Sprint durch die Methoden der Geschäftsmodellentwicklung
Über Nacht hatte Sönke alle technischen Herausforderungen bestens gelöst und wir starteten in Tag 2 unseres Online-Seminars.
Nachdem alle Teams einen Status ihrer Herausforderungen gaben, stellte Fabian in seinem Impuls verschiedene Kreativtechniken vor, welche dabei helfen die eigene Idee weiterzuentwickeln und zu bewerten. In der folgenden moderierten Breakout-Session haben die Teams ausgewählte Methoden – 6-3-5, SCAMPER und die Walt-Disney-Methode – für ihre Vorhaben angewandt.
Im Anschluss gab es einen Einblick über Finanzierungs- und Ertragsmodelle im Bereich Social Entrepreneurship. Den ersten Praxisinput an diesem Tag gab Sabine Fröhlich von Schotterweg Bremen. Sie ist Projektleitung Crowdfunding im Starthaus Bremen, einer Initiative der Bremer Aufbau Bank, und gab einen praxisnahen Überblick über Finanzierungsformen für Sozialunternehmen. Das Starthaus als regionale Crowdfunding-Plattform für Bremen und Bremerhaven arbeitet in Kooperation mit Startnext, der größten deutschen Crowdfunding-Plattform. Sabine stellte das Schotterweg-Leistungsangebot vor und beschrieb, wie eine gute Crowdfunding-Kampagne aufgebaut werden sollte. Fabian ergänzte diesen Block mit dem Aufzeigen verschiedener Ertragsmodelle, wenn es hoffentlich mit der Finanzierung funktioniert hat.
Gemeinsam mit Günther Kerchner, Gründer und Geschäftsführer des Inklusionsunternehmens Raumwerkerei Bremerhaven stand nach der Mittagspause der nächste Praxis-Impuls auf der Agenda: Canvas in der Anwendung. Im interaktiven Austausch demonstrierten Fabian und Herr Kerchner wie sich unser angepasstes Social Startup Canvas aufbaut. Und genau das war die Aufgabe, die dann an die Teams ging: alle sollten nun in der folgenden digitalen Teamrunde ihre Projekte in einem Canvas darstellen – und zwar so konkret, dass man diese in der Speedfeedback-Runde vor unseren Experten präsentieren konnte.
Unser Referent Jurij Deperschmidt, Partner-Manager bei der AfB, IT-Remarketing – sozial und ökologisch, ergänzte an diesem Nachmittag die Expertenrunde. AfB zählt inzwischen zum weltweit führenden gemeinnützigen Unternehmen der IT-Branche. Das Unternehmen wurde ganz aktuell zu „Europas Sozialunternehmen des Jahres 2020“ ausgezeichnet. AfB überzeugte die Jury bei der europaweiten Ausschreibung mit dem Gesamtkonzept aus sozialer Inklusion, fairen Gehältern, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlichem Erfolg. In einem kurzen Video konnten die Teilnehmenden direkt hinter die Kulissen von AfB blicken und einen authentischen Eindruck erleben, wie dort Inklusion und Nachhaltigkeit gelebt wird.
Als Abschluss des Tages waren wir alle gespannt auf die Kurzpräsentationen der Teams. In einer Speedfeedback-Runde konnten alle Teams ihre ersten Ideen in 3 Minuten unserer Expertenrunde testen und auf ihr Feedback hin anpassen. Dazu standen uns Michael Vogel – Professor für Entrepreneurship Education an der Hochschule Bremerhaven, im Studiengang Gründung, Innovation und Führung – Jan Steeger mit Kollege Kya Vakilzadeh von den Werbefabrikanten und Nils Dreyer – Gründer und Geschäftsführer der Hilfswerft – zur Verfügung.
Die Vorhaben unserer Teilnehmenden
- Pair at Work: Wir arbeiten an einer Agentur, die Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und Betriebe auf dem 1. Arbeitsmarkt zusammenbringt und Arbeitsplätze passgenau initiiert/vermittelt/entwickelt.
- Erlebnisrestaurant: Wir gründen ein Restaurant, in dem Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung arbeiten und wo Gäste und Besucher in einer Erlebniswelt eine actionreiche Zeit im Rollstuhl verbringen.
- Freiraum: Wir schaffen ein Wohnkonzept für autistische Menschen, damit Autisten freiheitlich und selbstbestimmt unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und personellen Umsetzbarkeit dort leben können.
- Menschen mit Hörbehinderung: Unser Ziel ist es, Menschen mit Hörbehinderungen besser im 1. Arbeitsmarkt zu integrieren und die Gebärdensprache mehr zu verbreiten. Dazu haben wir ein Kursangebot zur automatischen Spracherkennung für hörbehinderte Menschen am Arbeitsplatz entworfen.
- A.R.O.P.: Wir haben ein Konzept für Menschen mit Beeinträchtigung im Home Office entwickelt, um sie ins Arbeitsleben besser zu integrieren: „Wir bringen ihr Home Office ins Office“ – „Von zu Hause aus mittendrin“. Für die Umsetzung verwenden wir A.R. Technologie: durch eine AR Brille lässt sich das Home Office mit dem Office visuell verbinden.
- Lernwerkstatt: Wir arbeiten am SDG 10 und unser Ziel ist es, Unternehmen die Problematik der Integration undFörderung lernbehinderter Menschen näherzubringen und Lösungsansätze zu entwickeln. Das können Fortbildungsprogramme und Seminare sein, welche durch Lernbehinderte begleitet werden.
- I spy with my little eye: Unser Ziel ist es, Unternehmen die Integration und Förderung sehbehinderter Menschen mithilfe von digitalen Hilfsmitteln, im Sinne von speziellen Programmen und Gadgets. zu erleichtern. das könnte u.a. eine Vorlesebrille sein.
In unserer Abschlussrunde legte Fabian nochmal dar, was für die Teams nun ansteht. Ja, es wird eine Präsenzveranstaltung geben – nur wann, das wissen wir bisher noch nicht. Dann haben alle Gruppen die Möglichkeit ihre Ideen in einer Pitchpräsentation vor einer Jury vorzustellen. Für diese wichtigen 5 Minuten erhalten die Teams nochmal Tipps und Empfehlungen von uns. Bis dahin sollten alle Gruppen an ihren Projekten weiter arbeiten. Für die nächste Aufgabe versenden wir Infos per Email – dann geht es um die Wettbewerbsmatrix & Marketing-Aufgaben. Schließlich müssen die Ideen nicht nur ein hehres Ziel haben, sondern sich auch auf dem Markt halten können.
Stimmen aus dem Camp:
Svenja Weber, Teilnehmerin: „Das hat echt Spaß gemacht und ich bin positiv überrascht wie super das digital funktioniert“.
Stimmen der TeilnehmerInnen:
„Kreative und spannende Wege der digitalen Gruppenarbeit„.
„Ich hätte gerne mehr von den anderen mitbekommen,gesehen und gehört.“
„Fand es eine coole Erfahrung„.
„Spannende Wege um Bedürfnisse, Probleme und Lösungen zu identifizieren – Canvas etc.“
Fabian Oestreicher, Moderator und Organisator: „Es sind tolle Ergebnisse entstanden, welche die Teams zur Integrierung von Menschen mit Beeinträchtigung am Arbeitsmarkt entwickelt haben – und auch im Netz kann man viel Wert auf kollaborative Interaktion legen. Das Konzept unseres Digicamps ist voll aufgegangen.“
weiterführende Links:
- Beim nächsten mal selber dabei sein? Hier kannst du dich anmelden: Social Entrepreneurship Online-Seminar
- Als Hochschule in Kooperation mit der Hilfswerft eine digitale Lehrveranstaltung ausrichten: Social Entrepreneurship DigiCamp für Hochschulen
- Pressemitteilung zum Pilotformat in Bremerhaven lesen
- Die Senatspressestelle der Freien Hansestadt Bremen könndigt unser erstes Social Entrepreneurship Digicamp an
2 Antworten
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[…] Camps an der TH Köln die Auflage einer virtuellen Umsetzung. Durch unser Pilotversuch des 1. Social Entrepreneurship Digicamps waren wir zuversichtlich, die Dynamik von Workshops in analogen Räumen wieder in die virtuelle […]