BE YOU – Ein Sozialunternehmen stellt sich vor

Karsten Eckardt beschreibt als Gastautor sein Sozialunternehmen

Der Weg um ein Sozial-Unternehmen im Ausland zu gründen ist meistens mit Zufällen gepflastert und birgt Herausforderungen, die einem beim Gründen im eigenen Land erspart bleiben. Gleichzeitig ist das Arbeiten in einem fremden Land allerdings auch eine großartige Erfahrung, die ich jedem nur ans Herz legen kann. Seit April 2016 arbeite ich an Be-You.vn, früher eine Website jetzt eine App, die die Grundlage für eine bessere sexuelle Aufklärung in Vietnam zu schaffen. Nach einem ersten 2-monatigen Aufenthalt in Vietnam in 2015 bin ich dazu Anfang April dieses Jahres von Frankfurt nach Hanoi, Vietnam gezogen um mich in Vollzeit auf die Entwicklung und Verbreitung der App zu konzentrieren.

 

Vorgeschichte

Im Rahmen eines AIESEC Projekts kam ich Anfang 2016 nach Hanoi. 7 Wochen lang Aufklärungsunterricht für vietnamesische Schüler und Studenten (15-21 Jahre alt). Dem ersten positiven Eindruck darüber wie offen und interessiert alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms waren, folgte relativ schnell die Erkenntnis, dass kaum jemand ausreichendes Wissen über Themen wie Sex, Verhütung, STDs aber auch Kommunikation und Gleichberechtigung in einer Partnerschaft hatte. Gerade einmal eine Stunde billigte der vietnamesische Lehrplan diesem Themenzug und aus Scham lassen LehrerInnen selbst diese unter den Tisch fallen. Ein Ergebnis: 40% aller Schwangerschaften werden abgebrochen und im Schnitt kommen auf jede vietnamesische Frau 2.5 Abtreibungen.

In Deutschland haben, neben dem bestehenden Aufklärungsunterricht in der Schule, Zeitschriften wie BRAVO und später Online-Portale wie Planet-Liebe einen riesigen Beitrag zum Thema „Aufklärung“ geleistet. Das Angebot auf vietnamesisch hingegen ist leider kaum bis gar nicht vorhanden. Austausch über sexuelle Themen finden, wenn überhaupt, eher in Off-Topic Bereichen von Foren oder geschlossenen Facebook Gruppen statt. Lediglich 30 Jugendlichen etwas zu erzählen ist zwar ein Anfang, allerdings zu wenig und nicht wirklich skalierbar. Aus all diesen Voraussetzungen entwickelte sich Be-You.vn.

 

Be-You.vn 1.0

Gemeinsam mit einigen der AIESEC Teilnehmerinnen entstand so eine Aufklärungsseite auf Vietnamesisch. Gestaltet im Gewand anderer Jugend Online-Magazine mit Artikeln von „Wie gehe ich am besten auf meine Flamme zu“ über „14 STDs die du kennen solltest“ bis „Wie gehe ich mit sexuelle Belästigung um“. Gemeinsam mit einem moderierten Forum sollte ein Raum geschaffen werden um sich anonym zu informieren, Fragen zu stellen und sich vorurteilsfrei auszutauschen.

Trotz anfänglicher Erfolge wie 500 Facebook Likes in den ersten 2 Monaten und guten Google Platzierungen einiger Artikel, schafften wir es langfristig jedoch nicht genug neue User zu gewinnen. Selbst Erfolgreiche Facebook Posts führten lediglich zu 1-5 Besuchern und die 1-2 Artikel pro Wochen reichten nicht aus um bestehende User zu halten. Schlussendlich schafften wir es nicht mit dem Fokus auf 13-18-Jährige, ein autonomes Geschäftsmodell zu entwickeln. Nach gerade einmal 9 Monaten stellten wir das posten neuer Artikel vollständig ein.

 

Social Entrepreneurship Camp der Hilfswerft und der Pivot

Das Social Entrepreneurship Camp in Frankfurt Anfang 2017 gab dann den Startschuss für einen Neustart. 2,5 Tage lang arbeitete ich in einem deutsch-vietnamesischen Team mit drei weiteren Studenten am Plan für den Relaunch. Im ersten Schritt definierten wir das Ziel neu. Nicht mehr das Symptom der mangelnden Aufklärung sollte bekämpft werden, sondern die von uns identifizierte Ursache – Das Tabu über Sex zu sprechen. Eltern wollen nicht mit ihren Kindern über Verhütung sprechen, Lehrer schämen sich zu sehr um Aufklärungsunterricht zu geben und die Angst vor Stigmata hindert Teilnehmer an Programmen wie dem von AIESEC daran, das gelernte Wissen an ihre Freunde weiterzugeben.

Am Ende des Camps stand das Konzept: Eine App, adressiert an junge Erwachsene, die Anwendern zeigen soll, dass Sie mit ihren Fragen und Problem nicht alleine dastehen. Die das Selbstbewusstsein geben soll, um erst mit dem eigenen Partner und mit Freunden und dann später mit den eigenen Kindern, offen über Sex und Sexualität zu sprechen.

Umsatz soll mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten generiert werden, beginnend mit einer Anwendung für bestehende Paare, um gemeinsame, bisher versteckte sexuelle Fantasien zu entdecken.

Wo steht Be-You.vn heute?

Seit April lebe ich in Hanoi und arbeite in Vollzeit an der Fertigstellung der Anwendung. Die App, um die Finanzierung zu sichern besteht zuerst nur aus dem Fantasien-Matching, befindet sich aktuell in der Beta Phase und wird eifrig von Vietnamesinnen und Vietnamesen getestet.

Die Rückmeldungen sind bereits vielversprechend und reichen von „Die Fantasien sind nichts für die meisten Vietnamesen“ bis zu „Wir haben neues entdeckt und sprechen jetzt häufiger darüber, was wir wirklich wollen“. Aktuell arbeiten wir daran die App noch stärker auf das Land zu zuschneiden. Gerade dieser Kontrast bestätigt uns jedoch auch in der ursprünglichen Annahme, dass es kaum einen offenen Austausch über das Thema Sex, z.B. im Freundeskreis, gibt und darin, dass wir uns auf einem guten Weg befinden um tatsächlich etwas zu verändern.

 

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