Von der Idee zum inklusiven Geschäftsmodell: Unser Social Entrepreneurship Camp in Bremerhaven
„Aus welchen Gründen ihr heute hier seid, spielt überhaupt keine Rolle. Durch diese vier Tage setzt sich etwas in euren Köpfen fest. Ihr gehört zu den Menschen, die in Zukunft neue Standards in unserem Land beeinflussen. Und wenn da Inklusion eine Rolle spielt – dann haben wir in diesem Workshop unglaublich viel gewonnen.“
Andreas Larmann (im Bild) ist Fachbereichsleiter bei den Elbe-Weser Welten: ein inklusiver Dienstleistungsanbieter, der Menschen mit Behinderungen in interessante Jobs bringt und sie im Alltag unterstützt. Mit starken Worten wendet er sich zu Beginn seiner Präsentation an die Teilnehmer:innen auf unserem Social Entrepreneurship Camp in Bremerhaven.
Die Challenge ist klar: 27 Studierende der Hochschule Bremerhaven wollen innerhalb von 4 Tagen eigene Konzepte für inklusive Geschäftsmodelle entwickeln. Ihre fertigen Ideen werden sie im Workshop-Finale vor einer Jury pitchen. Viele der Teilnehmenden hatten bisher wenig bis keine Berührungspunkte mit Inklusion in der Arbeitswelt. Auch mit dem Thema Soziales Unternehmertum kennen sich die meisten bisher nicht aus.
In diesem Beitrag erfährst du…
… welche Inklusionskonzepte die Studierenden in kurzer Zeit ausgearbeitet haben
…. welche Leanings sie im Bereich Social Entrepreneurship und Inklusion mitnehmen konnten
… und wie wir sie bei ihrem Lernprozess unterstützt haben.
Warum Inklusion so wichtig – und die Chancenungleichheit groß ist
Menschen mit Behinderungen sind mit diversen Hürden und Diskriminierungen im Alltag konfrontiert. Besonders drastisch zeigt sich das auf dem Arbeitsmarkt: Erwerbstätige mit Behinderung haben es wesentlich schwerer, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder den Weg in eine berufliche Ausbildung zu finden.
Das ist ein großes Problem. Denn Menschen mit Behinderungen können und wollen ohne Diskriminierung in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten. Parallel dazu herrscht in vielen Branchen ein Fachkräftemangel: Deutsche Unternehmen haben immer größere Schwierigkeiten, offene Stellen mit passendem Personal zu besetzen. Trotzdem wollen sie Menschen mit Behinderungen seltener einstellen – und zahlen lieber die gesetzliche Ausgleichsabgabe.
Was können Social Entrepreneure (im Bereich Inklusion) leisten?
Als Sozialunternehmer:Innen begreifen wir Inklusion als Chance: Wir wollen die Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen nutzbar machen! Wir wollen für echte Chancengleichheit sorgen. Und: Wir wollen von dem positiven Arbeitsklima profitieren, das entsteht, wenn Diversität und Wertschätzung in Unternehmen gelebt werden.
Carsten Lessmann, selbst Sozialunternehmer und Nachhaltigkeitsexperte, führt unsere Teilnehmer:innen in die Denkweise des Social Business ein. Mit seiner Unterstützung lernen sie die grundlegenden Werkzeuge und Methoden von Sozialunternehmer:innen kennen – und wenden sie direkt für ihre eigenen Geschäftsideen an.
Im Laufe des Workshops leitet Lessmann die Teilnehmenden durch die wichtigsten Aspekte einer sozialen Existenzgründung: von der Ursachenforschung über Lösungskonzepte und Ressourcenanalysen bis zu Einnahmequellen.
Wie geht gelebte Inklusion? Unsere Expert:innen machen’s vor!
Unsere Social Entrepreneurship Camps leben von der Vernetzung zwischen Theorie und Praxis. Zu Beginn erscheint die Herausforderung riesig, die Unsicherheit bei den Studierenden ist groß: Bin ich überhaupt in der Lage, etwas zur Lösung eines so komplexen Problems beizutragen? Was brauchen Menschen mit Behinderungen für ein erfolgreiches Arbeitsleben? Wie schaffen Arbeitgeber:innen ein inklusives Betriebsklima? Und: Ist Behinderung gleich Behinderung?
Im Laufe unseres Social Entrepreneurship Camps treffen die Studierenden auf sechs Praxisexpert:innen. Sie kennen die (oft unsichtbaren) Herausforderungen für Menschen mit Behinderungen und stehen den Gruppen als Mentor:innen zur Seite. In Impuls-Präsentationen stellen sie ihre Unternehmungen vor und beantworten die Fragen der Studierenden. Vor allem wissen sie, wie Ideen zu echten, umsetzbaren Projekten werden – anstatt in unseren Köpfen zu bleiben.
Jürgen J. Köster & Elizabeth Dinh I compagnons cooperative inklusiver film
Bei der compagnons cooperative inklusiver film arbeitet ein internationaler Zusammenschluss von Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam an Filmprojekten. Wir wollen inklusive Filmarbeit auf allen Ebenen der Produktion erreichen. Vom Drehbuch bis zur Premiere soll jeder repressionsfrei und kompetenzbezogen mitwirken können – egal, ob vor oder hinter der Kamera.
Mareke Menzel I Amt für Versorgung und Integration Bremen (AVIB)
Als Beaterin im Integrationsamt Bremen stehe ich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen mit Behinderungen unterstützend zur Seite. Ich weiß genau, wo die alltäglichen Herausforderungen bei der Inklusion im Arbeitsleben liegen und kann zwischen verschiedenen Parteien vermitteln. Außerdem entscheide ich über Leistungen des Inklusionsamtes, zum Beispiel für die Einrichtung von behindertengerechten Arbeitsplätzen.
Christine Sacher & Andreas Larmann I Elbe-Weser Welten
In den Elbe-Weser Welten finden Menschen mit Behinderungen passende Jobs und Weiterbildungsangebote. Außerdem erhalten sie bei Bedarf Unterstützung beim Wohnen und im Alltag von uns. An mehr als 20 Standorten in Bremerhaven und Umgebung sind über 760 Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Dienstleistung oder Produktion für uns tätig. Dabei sind die Angebote der Elbe-Weser Welten keine Einbahnstraßen: Wir bieten Praktika und berufsqualifizierende Kurse an – auch zur Vermittlung für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Anett Noster I Soziale Manufakturen
Das Projekt Soziale Manufakturen bietet Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht am Arbeitsleben teilnehmen können, Beschäftigung und gesellschaftliche Teilhabe. Insass:innen der Justizvollzuganstalt und Menschen mit Behinderungen arbeiten bei den „Sozialen Manufakturen“ in inklusiven Teams zusammen. Gemeinsam stellen sie nachhaltige und handgefertigte Produkte her, verkaufen sie auf Bremer Wochenmärkten oder in unserem eigenen Onlineshop. Gleichzeitig können sie an weiterführenden Qualifizierungen teilnehmen.
Eigene Ideen entwickeln: Die Projekte unserer Teilnehmenden
Vier Tage lang schlüpfen unsere Teilnehmenden in die Haut von Sozialunternehmer:innen: Angelehnt an den Design-Thinking-Prozess arbeiten sie in kurzen Ideen-Sprints an ihren kreativen Geschäftsmodellen. Zum Schluss klopfen sie ihre Konzepte in Interviews mit ihren Zielgruppen auf Schwachstellen ab.
Dann ist es endlich so weit: Zum Finale gehen fünf Teams mit ihren Projekten an den Start! In Kurzpräsentationen (engl. Pitches) zeigen sie ihre Ergebnisse vor Innovations- und Kreativcoach Marnie Knorr, Mareke Menzel aus dem AVIB, Carsten Lessmann von der Hilfswerft und einer Auswahl unserer Praxisreferent:innen.
Diese Projektideen entstanden beim Social Entrepreneurship Camp:
- Die Projektgruppe Von Seele zur Seele entwickelte einen Lösungsansatz zur Vorbeugung von seelischen Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Mit ihrem Verein wollen sie eine Anlaufstelle für Betroffene herstellen und über ihre Situation aufklären.
- Team ProJob zeigte sein Konzept für eine inklusive Jobplattform: Menschen mit Behinderungen sollen hier schneller ihren Traumjob finden. Dabei helfen nicht nur Features, die die Barrierefreiheit im Netz erhöhen – sondern auch ein ausgeklügelter Algorithmus, der Jobsuchende anhand ihrer persönlichen Fähigkeiten besser mit Unternehmen matcht.
- Ein weiteres Team analysierte das Geschäftsmodell der Sozialen Manufakturen (s.o.). Noch wird das Projekt finanziell gefördert. Aber wie kann man es zukünftig in die Unabhängigkeit führen? Hierzu entwickelten die Studierenden mehrere Lösungswege – zum Beispiel die Weitergabe ihres sozialen Inklusionskonzeptes in Workshops und Vorträgen.
- Wie können sich Menschen mit einer Sehbehinderung besser am Arbeitsplatz orientieren? Dieser Frage ging das Team Social Vision nach. Als Unternehmen will es Arbeitsplätze barrierefreier gestalten und technische Hilfsmittel vor Ort verbessern.
- Zu guter Letzt präsentierte das Team Clear Mind sein Konzept einer psychologisch-sozialen Beratung für Betriebe. Ehemalige Betroffene könnten hier Sprechstunden für Menschen mit seelischen Behinderungen anbieten – und Vorgesetzte über psychische Erkrankungen aufklären. Die Vision von Clear Mind: Perspektivisch soll jedes Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeiter:innen eine externe psychologische Beratung bereitstellen.
Der Entwicklungsprozess und das Engagement unserer Studierenden haben uns sehr inspiriert. Im Social Entrepreneurship Camp konnten wir den Teilnehmenden relevante Tools und Methoden zur Lösung ihrer zukünftigen Herausforderungen auf den Weg geben. Gleichzeitig entstand ein besseres Bewusstsein für die Hürden von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben. Den Teilnehmenden, die ihre Konzepte über das Camp hinaus weiterentwickeln möchten, stehen unsere Mentor:innen weiterhin beratend zur Seite.
Stimmen aus dem Social Entrepreneurship Camp
Innerhalb von wenigen Workshop-Tagen kamen Studierende, die größtenteils kaum Erfahrungen mit Inklusion gemacht hatten, zu eigenen Lösungskonzepten, um Hürden für Menschen mit Behinderungen abzubauen. Als Integrationsamt erleben wir oft, welche Folgen es haben kann, wenn zum Beispiel Arbeitgeber:innen sich nicht mit Inklusion beschäftigen wollen. Das macht dieses Format so schön und wichtig: Die Camp-Teilnehmenden, die wir hier an das Thema Inklusion herangeführt haben, sind die Arbeitsmarktgestalter:innen und Arbeitgeber:innen von morgen.
Mareke Menzel, Amt für Versorgung und Integration Bremen
Mir haben die Vorträge der Vortragenden sehr gefallen und die offene Gestaltung der Ausarbeitung der Themen. Jeder konnte sich zu dem Thema Gedanken machen, was ihm persönlich am Herzen liegt oder wo er denkt, dass er seine Fähigkeiten einsetzen kann. So konnten wir, kommend aus dem Technik Bereich, eine Idee zu einer Job-Plattform ausbauen.
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