7. Social Entrepreneurship Stammtisch Bremen
Hilfswerft und Social Impact Lab laden ein
Am 24. Oktober fand erneut der Stammtisch von der Hilfswerft und dem Social Impact Lab statt, der den Bremern und Bremerinnen aufzeigen soll, welche Perspektiven Social Entrepreneurship bieten kann und sowohl Interessierte, als auch engagierte Menschen zusammenbringt. Durch den Stammtisch und die dort vorgestellten Inhalte und Diskussionen wollen wir zum Nachdenken anregen und wichtige Impulse geben, wie eine lebenswerte Gesellschaft – insbesondere durch verantwortungsvolles Unternehmertum – gestaltet werden kann.
Es war also mal wieder ein Dienstag um 18 Uhr an dem dieses mal die studentischen Aushilfskräfte Julia, Fabian und Jenny das Ruder, sprich die Moderation, übernommen haben.
Was so ansteht
Die Hilfswerft ist vor allem als Event-Agentur mit Bildungsauftrag engagiert, deshalb haben wir in puncto anstehende Veranstaltungen immer einiges zu berichten. An dieser Stelle nur die wichtigsten facts:
Die nächsten Stammtische: 20. November 2017 (ein „Stammtisch-Spezial“ zusammen mit BEGIN24) & 5. Dezember 2017
Das S/E/I/L Festival: 24.-25. November in Berlin
Unser neues Format Zukunftsweiser Forum findet am 1.-3. Februar, 15.-17. Februar und am 1.-3. März 2018 statt. Es richtet sich insbesondere an CSR- und Nachhaltigkeitsbeauftragte, Change Agents und Changemaker innerhalb etablierter Wirtschaftsunternehmen – die sogenannten Intrapreneurs. Der Workshop wurde zusammen mit dem Klimahaus Bremerhaven konzipiert und die Plätze sind begrenzt. Anmelden kann man sich hier.
Über unternehmerisches Wirken, die Kunst des Geschichtenerzählens und die Wertigkeit von Zeit
Jenny startete mit unserem Rückblick auf den ImpactSummit in Dortmund. Der ImpactSummit war eines der größten Events das die Social Entrepreneurship Szene in Deutschland zusammengebracht hat und sich dort insbesondere Startups aus den Bereichen Bildung, Gesundheit, Energie und Gesundheit vorstellen konnten. Ein Großteil des Hilfswerft-Teams war dabei und wollte natürlich die Erfahrungen und das Gelernte und Erlebte im Kreise des Stammtisches teilen.
Jenny und Fabian haben sich jeweils ein Thema ausgesucht, welches sie als besonders spannend in Erinnerung behalten haben.
Zunächst hat Jenny den Bereich Gesundheitswesen vorstellt. Sie hat die Probleme beleuchtet, die die Gesundheit der Bevölkerung betreffen. Das sind z.B. Diabetes und Fettleibigkeit, das Problem, das sozial benachteiligte (arme) Menschen im Durchschnitt einige Jahre früher sterben als diejenigen, die finanziell besser versorgt sind. Depressionen und Erschöpfung nehmen zu und die Gesellschaft wird immer älter. Unser Gesundheitssystem leidet an erheblichem Personalmangel in Pflegeberufen; anstelle Jobs in der Altenpflege und in Krankenhäuser für das Pflegepersonal attraktiver zu machen (Arbeitszeit, Vergütung) ist der derzeitige Zustand fast untragbar, denn die Arbeitnehmer werden bis auf die Knochen erheblichen Belastungen ausgesetzt und kommen an ihre körperlichen wie psychischen Grenzen. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass viele Krankenhäuser profit- und effizienzgetrieben sind und damit nicht nur die Gesundheit der Patienten, sondern auch ihrer Mitarbeiter gefährden.
Doch es gibt Alternativen. Nicht nur im Management, sondern auch den medizinischen Verfahren. Und natürlich tragen auch einige Social Entrepreneurs mit ihren Ideen dazu bei. Einige hat Jenny vorgestellt.
Dr. Eckart von Hirschhausen
Eckart von Hirschhausen ist aus dem TV und seinen Büchern bekannt. Der berühmte Arzt und Komiker bringt mit seiner Stiftung ausgebildete Clowns in Krankenhäusern. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Patienten schneller genesen, wenn während ihres Krankenhausaufenthaltes auch ab und zu Lachen können und ihre Sorgen für einige Stunden vergessen. Hirschhausen hat neben der Stiftung auch eine GmbH mit der er weitere Projekte ins Leben rufen kann und seine finanziellen Mittel dementsprechend einsetzen kann. Mehr zu Hirschhausen könnt ihr in diesem Blog-Beitrag zum ImpactSummit nachlesen.
Dirk Müller-Remus
Bei Dirk Müller-Remus hat die Gründung seines Unternehmens mit seinem Sohn zu tun. Er ist Vater eines Autisten (genauer gesagt, dem Asperger-Syndrom, welches eine mildere Version im autistischen Spektrum darstellt). Als es darum ging seinen Sohn in die Ausbildung zu bringen, schockierte Müller-Remus, dass so viele Autisten kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Dies hat wohl insbesondere mit Unwissen und Stigmatisierung zu tun. Wer Autisten wenig zutraut, verpasst Mitarbeiter, die sich besonders auf Details und kniffelige Logikaufgaben stürzen können. Im Umgang mit Autisten muss man natürlich etwas geschult sein und mit den Eigenschaften wie beispielsweise sehr direkt und ehrlich Dinge anzusprechen – da kann bei einigen Menschen zunächst auch Unbehagen auslösen, wenn sie nichts vom Hintergrund der Person kennen.
Also nimmt Müller-Remus beide Beine in die Hand und gründet Auticon, eine IT-Beratungsfirma, die Autisten anstellt und als Berater in Unternehmen schickt. Um auch Autisten anzusprechen, die sich eine Karriere im IT-Bereich nicht vorstellen können, hat er nun auch Diversicon gegründet, um das Spektrum an Jobs zu erweitern.
Frank Hoffmann
Frank Hoffmann ist Frauenarzt und hat festgestellt, dass die Zeit, die Frauenärzte für wichtige Brustuntersuchungen haben eigentlich viel zu kurz ist. Deshalb hat er mit Discovering Hands ein Unternehmen ins Leben gerufen, dass blinde Frauen ausbildet und sie zur Brustuntersuchung in Praxen schickt. Blinde Frauen haben oft einen ausgesprochen feinen Tastsinn und können die Untersuchung sehr viel besser vornehmen und dadurch, dass sie sich auch mehr Zeit lassen können, viel gründlicher dabei vorgehen.
Für weitere Infos verweisen wir auch hier weiter.
Maxie Matthiessen
Maxie Matthiessen ist eine international angesehene Gründerin im Bereich Women’s Health. Mit ihrer ersten Firma Ruby Cup produziert sie eine gesunde, sichere und umweltfreundliche Lösung für Frauenhygiene: Menstruationstassen. Maxi hat lange als Entwicklungshelferin gearbeitet und weiß genau, dass weltweit viele Mädchen wegen ihrer monatlichen Blutungen diskriminiert werden und beispielsweise nicht zur Schule gehen, wenn sie ihre Regel haben. Kein Zugang zu Bildung, weil man eine Frau ist und eben diesen monatlichen Zyklus durchlebt? So nicht, dachte sich Maxie! Die Menstruationstassen sind keine neue Erfindung, aber heute ist das Material (Silikon) viel besser verträglich und auch das Design ansprechender. Um die Menstruationstassen direkt an die afrikanischen Frauen zu verkaufen, ist der Preis leider zu hoch, also hat sich Maxie entschieden, dass der Verkauf in Europa stattfindet und je hier verkauften RubyCup ein Modell nach Afrika gespendet wird. Ihre zweite Firma, Femna, produziert und vertreibt natürliche Medizin für Frauen.
Zu erwähnen ist auch, dass RubyCup nicht zu eine gesellschaftliche, soziale Funktion hat, sondern auch zu einer enormen Einsparung von Ressourcen führt.
Titus Dittmann
Zunächst erscheint es relativ abwegig, Titus im Gesundheitskontext vorzustellen, hat er doch mit seinem gleichnamigen Label alles was mit Skateboarding zu tun hat verkauft. Titus hat sie Skateboard-Szene in Deutschland groß rausgebracht! Mit seiner Stiftung, möchte er das Skateborden jetzt auch denjenigen ermöglichen, die es in ihrem Umfeld schwer haben. Z.B. baut er Skateparks in Afghanistan und auch die Skateboards hat er gleich im Gepäck. Titus hat selbst ADS und hat festgestellt, dass Skateboarden ihm schon immer geholfen hat, sich gut und ausgeglichener zu fühlen. Das möchte er jetzt weitergeben. Dazu initiiert er jetzt ein Forschungsprojekt an der Uni Göttingen, um die Wirksamkeit auch wissenschaftlich zu beweisen – Skateboarden als Selbstheilung! Wer mehr über seine Visionen lernen möchte, kann sich seine Biografie durchlesen, die gerade rausgekommen ist.
Solidarität leben und Teilhabe fördern
Die Quintessenz der Diskussionsrunde des Gesundheits-Panels war eindeutig, dass die Pfeiler eines verantworten Unternehmertums Solidarität und Teilhabe sind. Hierfür braucht es Social Entrepreneurs, die sich trauen neue, innovative Wege einzuschlagen.
Komm ich erzähle dir eine Geschichte…
Fabian ist vor allem der Vortrag vom “Digitalen Botschafter” Patrick Breitenbach (ZDF Digital) in Erinnerung geblieben. Er führte in die Welt des Storytellings ein und hob deren Bedeutung für Startups hervor. Davon angefixt, recherchierte Fabian etwas mehr zum Thema und lud die Anwesenden zur Heldenreise ein. Startups können sich dann selbst fragen, ob sie der Held der Geschichte sind oder den Kunden als Mentor unterstützen, ihre eigene Reise zu bewältigen. Dazu muss zunächst einmal die eigene Identität geklärt werden. Ist man eher Visionär wie ein Elon Musk? Ein Bastler wie Van Bo Le-Mentzel? Ein Rebell wie Ben&Jerry? Jeder Held braucht dann einen guten Gegner: Social Startups könnten sich dabei an den Sustainable Development Goals (SDGs) orientieren.
Für die weitere Reise braucht es schließlich noch weitere Schritte. Bei Jonah Berger sind das dann STEPPS. Für ihn sind Voraussetzung für mehr Bekanntheit und damit eine Fortsetzung der Social Startup-Karriere Aspekte der Teilbarkeit, der Wiedererkennung, Gefühle, Sichtbarkeit, Nützlichkeit und wiederum das Geschichten erzählen (um das Akronym gleich einmal auf Deutsch zu übersetzen).
Zuletzt stellte Fabian das Unternehmen Einhorn Products vor, deren Kommunikationsstrategie ungewöhnlich und vielleicht auch deshalb sehr erfolgreich ist. Als Hersteller für nachhaltige Kondome setzen sie mit dem Einhorn auf Wiedererkennung und Unisex-Ansprache. Außerdem haben sie verrückte Aktionen wie eine Demo für das Recht auf mehr Orgasmen vor dem Brandenburger Tor organisiert. Ihre selbstgeschaffene Werte lassen sie zu den Archtypen des Heilers, des Rebells und des Clown zuordnen. Die Geschichte passt zu den Gründern, passt zum Unternehmen. Da die Hilfswerft den Unicorns selbst einmal bei ihren Anfängen helfen konnte, freut uns umso mehr diese erfolgreiche Entwicklung. Denn Kondome sollen erst der Anfang ihrer Produktkette sein.
Eine Zusammenfassung des Events kann man sich hier durchlesen.
Was ist uns unsere Zeit wert? Harald von TauschWatt e.V., dem Bremer Zeittauschring
Unser externer Gast war dieses mal Harald vom TauschWatt Verein, einem Zeittauschring in Bremen. Das Prinzip klingt zunächst einfach: Wenn man jemandem Zeit gibt und seine Arbeitskraft für ihn/sie einsetzt, dann soll er dafür auch etwas zurückbekommen, das ebenso Arbeitszeit gekostet hat. Dabei sind die verrichteten Tätigkeiten in ihrer Wertigkeit gleich, d.h. ein Stunde Programmieren „kostet“ genauso viel wie eine Stunde Gartenarbeit oder Socken stricken. Das ist ein schönes Prinzip, wenn man sich vorstellt, dass Zeit auf der Welt für jeden gleich verteilt ist: „Lebenszeit gegen Lebenszeit“ ist deshalb auch das Basis-Prinzip des Vereins.
Harald hat uns erklärt, dass diese Lebens(arbeits)zeit „Tide“ heißt und eine Tide 10 Minuten entspricht. Da Tiden auch die Meeresgezeiten sind, haben TauschWatterInnen entsprechend Flut oder Ebbe auf ihren Tidenkonten. Jedes Mitglied hat ein Konto, auf dem die eingenommenen und ausgegebenen Tiden verbucht werden. Der Kontostand darf ein Limit von 300 Tiden in der Flut bzw. (neu) 150 Tiden in der Ebbe nicht überschreiten. Wenn man beim Zeittauschring einsteigen möchte, kann man sich hier die konkreten Bedingungen durchlesen.
Tauschringe sind schöne Beispiele dafür, wie sich neben dem vorherrschenden Wirtschaftssystem auch „Wirtschaftsräume“ etablieren, die alternative Praktiken ausprobieren und andere Formen des Miteinanderleben greifbar machen.
Danke, Harald für deinen Input und weiterhin viele tolle Zeit-Tausch-Momente wünschen wir dir und deiner Gemeinschaft!
Wir freuen uns auf die nächsten zwei Stammtische, die dieses Jahr noch geplant sind.
Gleich in den Terminkalender eintragen und online anmelden: 20. November (mit BEGIN24) und 5. Dezember (mit Glühwein 😉 )